Grober Behandlungsfehler

Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, erleichtert dies dem Patienten, die Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche. In Arzthaftungssachen ist für die Durchsetzung der Ansprüche häufig entscheidend, wer was zu beweisen hat. Grundsätzlich hat der Patient die Beweislast für den Fehler und dass der Fehler zu den eingetretenen Folgen geführt hat. Liegt jedoch ein grober Behandlungsfehler vor, muss der Behandelnde beweisen, dass die eingetretenen Folgen ihre Ursache nicht im Behandlungsfehler haben. Eine Missachtung der gesicherten medizinischen Erkenntnisse lassen in aller Regel den Behandlungsfehler als einen groben Behandlungsfehler erscheinen. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 20.09.2011 bestätigt, dass gesicherte medizinischer Erkenntnisse „nicht nur die Erkenntnisse sind, die Eingang in Leitlinien, Richtlinien oder anderweitige ausdrückliche Handlungsanweisungen gefunden haben. Hierzu zählen vielmehr auch die elementaren medizinischen Grundregeln, die im jeweiligen Fachgebiet vorausgesetzt werden.“

Im vorliegenden Fall erlitt eine Patientin infolge einer Operation zur Entfernung der Mandeln derartige Gehirnstörungen, dass ihr die Pflegestufe 3 von der Pflegeversicherung zuerkannt wurde. Der Bundesgerichtshof hat den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück verwiesen und dieses muss nunmehr bei der Beurteilung des Falls die genannte Auffassung des Bundesgerichtshofs zum groben Behandlungsfehler berücksichtigen.

Der Nachweis eines groben Behandlungsfehlers ist häufig schwierig. Daher sollte frühzeitig ein auf das Arzthaftungsrecht spezialisierte Rechtsanwalt hinzugezogen werden, wie zum Beispiel ein Fachanwalt für Mezinrecht. Dieser wird mit Ihnen zusammen umfangreich den Sachverhalt ermitteln, Patientenunterlagen beschaffen, auswerten und das weitere Vorgehen absprechen. Je nach Sachverhalt kann es sinnvoll sein, den Medizinischen Dienst der Krankenkasse für eine Gutachtenerstellung zu nutzen, ein Schlichtungsverfahren vor der Schlichtungsstelle für Arzthaftungsfragen durchzuführen oder in Ausnahmefällen unverzüglich das gerichtliche Verfahren zu betreiben.

Pflicht zur Aufklärung über die Alternative einer Schnittentbindung

Der Arzt hat bei einer Schnittentbindung eine Pflicht zur Aufklärung. Ein seit der Geburt schwerstgeschädigter Kläger hatte die Beklagte als geburtsleitende Ärztin auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine „Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit erforderlich, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten.“ Nach diesem allgemeinen Grundsatz braucht der geburtsleitende Arzt in einer normalen Entbindungssituation ohne besonderen Grund die Möglichkeit einer Schnittentbindung nicht ansprechen, wenn bei einer vaginalen Geburt für das Kind ernstzunehmende Gefahren drohen, daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine Schnittentbindung sprechen und diese bei Berücksichtigung der Konstitution und der Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt, ist über die Alternative einer Schnittentbindung aufzuklären. Allein die Dauer der Geburt kann die Notwendigkeit der Aufklärung über die Möglichkeit einer Schnittentbindung ergeben. Wurde diese Aufklärung unterlassen und der Kläger erleidet durch den Geburtsvorgang eine Schädigung, welche bei einer Schnittentbindung nicht eingetreten wäre, dann können die Schadensersatzansprüche berechtigt sein.

In solchen Fällen empfiehlt es sich, bereits frühzeitig einen auf das Arzthaftungsrecht spezialliseirten Rechtsanwalt einzuschalten, wie zum Beispiel einen Fachanwalt für Medizinrecht. Dieser wird mit Ihnen zusammen zunächst die erforderlichen Unterlagen, wie vollständige Patientenunterlagen beschaffen und anhand dieser das weitere Vorgehen entscheiden. Das kann die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse, die Anrufung der Schlichtungsstelle für Arzthaftungsfragen, die gerichtliche oder ausßergerichtliche Klärung sein.

Pflegereform

Mit der Pflegereform sollen ab 2013 höhere Pflegeversicherungsleistungen für ambulant versorgte Demenzkranke gewährt werden. Es ist vorgesehen Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz ohne Pflegestufe monatlich 120 EUR Pflegegeld oder bis zu 225 EUR Pflegesachleistungen zu gewähren. Pflegebedürftige der Pflegestufe I sollen 305 EUR Pflegegeld und bis zu 665 EUR Pflegesachleistungen erhalten. Pflegebedürftige der Pflegestufe II sollen 525 EUR Pflegegeld und bis zu 1.250 EUR Pflegesachleistungen bekommen. Die Pflegedienste sollen mit der Pflegereform künftig Betreuungsleistungen zusätzlich zu der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung anbieten. Die pflegenden Angehörigen sollen leichter eine Auszeit nehmen können. Hierbei soll das Pflegegeld künftig zur Hälfte weitergezahlt werden, wenn sie eine Kurzzeit- oder Verhinderungspflege für ihren Pflegebedürftigen in Anspruch nehmen. Selbsthilfegruppen sollen stärker gefördert werden. Zusätzlich sollen Wohngruppen eine Förderung erhalten, damit demenzerkrankte Menschen möglichst selbstständig und selbstbestimmt leben können. Hierfür sind für solche Wohngruppen je Bewohner 200 EUR zusätzlich vorgesehen, um dem höheren Organisationsaufwand gerecht werden zu können. Weiterhin soll mit einem zeitlich befristeten Programm die Gründung neuer ambulanter Wohngruppen gefördert werden. Sie sollen 2.500 EUR pro Person (maximal 10.000 EUR je Wohngruppe) für notwendige Umbaumaßnahmen in der gemeinsamen Wohnung bekommen. Nach dem Entwurf stehen für diese Förderung mit der Pflegereform insgesamt 30 Millionen EUR bereit.

Schmerzensgeld 600.000,00 €

Das Kammergericht Berlin hat mit Urteil vom 16.02.2012 zum Aktenzeichen 20 U 157/10 ein Schmerzensgeld in Höhe von 650.000,00 € aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers zugesprochen. Diese Größenordnung des Schmerzensgeldes ist ein neuer Schritt in der Rechtsprechung deutscher Gerichte. Selbst bei Geburtsschäden, welche erhebliche lebenslängliche Beeinträchtigungen mit sich bringen, ist ein so hohes Schmerzensgeld nicht üblich. Vorliegend hat sich ein Kind im Alter von ca. 4 ½ Jahren den Arm gebrochen. Infolge von Fehlern bei der Operation kam es zu einem schweren Hirnschaden des Kindes. Das Kind ist nunmehr in der Pflegestufe III, wird über eine Sonde ernährt, ist zu 100 Prozent schwerbehindert, leidet an einem apallischen Syndrom mit Ausfallerscheinungen der Großhirnfunktion und an Lähmungen aller vier Gliedmaßen. Die Richter sahen dieses hohe Schmerzensgeld für angemessen an, da anders als bei Geburtsschäden bei dem Kind die Möglichkeit besteht, dass es sich an den Zustand vor der Operation erinnern könne und ihm die Beschränktheit und Ausweglosigkeit seiner jetzigen Situation in gewisser Weise bewusst sei.

Neben dem Schmerzensgeld sind weitere Schadensersatzpositionen möglich, wie Pflegekosten, Behandlungskosten, Anpassung der Wohnung, späterer Verdienstausfall und Haushaltsführungsschaden.

In solchen Fällen ist es empfehlenswert, dass der Rechtsanwalt neben einer Spezialisierung im Bereich des Medizinrechts und des Arzthaftungsrecht zusätzlich eine Spezialisierung im Bereich des Sozialrechts hat. Dies sind zum Beispiel Rechtsanwälte, welche Fachanwalt für Medizinrecht und zusätzlich Fachanwalt für Sozialrecht sind. Bis die Durchsetzung von Schadensersatzforderungen – häufig über Jahre – zu tatsächlichen Zahlungen führt, müssen häufig verschiedene Sozialkassen in Anspruch genommen werden, wie Krankenversicherung, Pflegeversicherung oder auch das Sozialamt.

Sonderkündigungsrecht bei Beitragserhöhung

Erhöht eine gesetzliche Krankenversicherung die Beiträge steht den Versicherten ein Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V zu. Hiernach kann das Mitglied im Falle einer Beitragserhöhung bis zum Ablauf des auf das Inkrafttreten des der Beitragserhöhung folgenden Monats kündigen. Nach dieser Frist verfällt das Sonderkündigungsrecht. Erfolgt keine Beitragserhöhung ist das Mitglied 18 Monate an seine gewählte Krankenkasse gebunden. Weiterlesen