Volle Regelleistung

Einem Erwachsenen steht grundsätzlich die volle Regelleistung nach dem SGB II zu. Mit Urteil vom 07.10.2011 zum Aktenzeichen B 14 AS 171/10 R hat das Bundessozialgericht bestätigt, „dass die Regelleistung für zwei volljährige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich nur dann auf jeweils 90 von Hundert der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II begrenzt ist, wenn es sich um zwei volljährige erwerbsfähige Angehörige handelt die dem Grunde nach anspruchsberechtigt sein können.“

Das Bundessozialgericht hatte einen Fall zu einer Bedarfsgemeinschaft zu entscheiden, in der ein Angehöriger Leistungen nach dem SGB II bezieht und der andere Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Entsprechend wurde die Kürzung des Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft von 100 auf 90 Prozent der Regelleistung für den Bezieher der Leistungen nach dem SGB II abgelehnt.

Wenn ein SGB II – Leistungsempfänger in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem volljährigen Erwachsenen lebt, welcher dem Grund nach nicht leistungsberechtigt ist, darf der Regelsatz somit nicht reduziert werden. Gegen entsprechende fehlerhafte Bescheide ist der Widerspruch und nach Fristablauf ein Überprüfungsantrag möglich. Gegen ablehnende Widerspruchsbescheid ist die Klage beim Sozialgericht möglich. Sowohl für Widerspruch als auch für Klage ist eine Frist von einem Monat einzuhalten. Dei Frist beginnt mit Eingang des Bescheides, bzw. Widerspruchsbescheides und endet mit Eingang des Widerspruchs beim Jobcenter, bzw. der Klage beim Sozialrecht.

Pfändungsschutzkonto

Ohne ein Pfändungsschutzkonto können auch Sozialleistungen vom Konto gepfändet werden. Bis zum 31.12.2011 galt ein gesetzlicher Pfändungsschutz, wonach für 14 Tage nach Geldeingang Sozialleistungen nicht gepfändet werden durften. Ab dem 01.01.2012 bietet das Pfändungsschutzkonto vor Pfändungen auf das Konto einen Schutz. Ein bestehendes Konto kann auf Antrag des Kontoinhabers in ein solches Pfändungsschutzkonto umgewandelt werden. Dieses bietet dann automatisch einen Schutz in Höhe des aktuellen Grundfreibetrages von 1.028,89 Euro. Unter Umständen können die persönlichen Freibeträge höher ausfallen. Insoweit muss sich der Kontoinhaber ebenfalls mit seinem kontoführenden Institut wie der Sparkasse verständigen. Ein höherer Schutz kommt zum Beispiel in Betracht, wenn auf dem Konto für mehrere Personen Leistungen der Grundsicherung oder andere Transferleistungen wie Kindergeld oder Kinderzuschlag eingehen. Wandelt der Kontoinhaber sein Konto nicht um, besteht ab dem 01.01.2012 die Gefahr, dass eingegangene Sozialleistungen oder andere Leistungen gepfändet werden. Eine automatische Umwandlung des Kontos erfolgt nicht. Es ist ein Antrag beim kontoführenden Institut erforderlich, der rechtzeitig vor einer möglichen Pfändung erfolgen sollte.

Die kontoführende Bank ist zur Umwandlung des Kontos in ein Pfändungsschutzkonto verpflichtet und darf nach neuer Rechtsprechung dafür nicht mehr Gebühren wie für ein normales Girokonto verlangen. Sollte sich die Bank weigern, kann man sich an die entsprechenden Gremien zur Bankenaufsicht und Schlichtungsstellen wenden. Hilft dies auch nichts, ist im Notfall eine Klage gegen die Bank erforderlich.

Sperrzeit bei verhaltensbedingter Kündigung

In der Regel wird eine Sperrzeit verhängt bei einer verhaltensbedingten Kündigung. Entgegen weit verbreiteter Ansicht bedarf es bei verhaltensbedingten Kündigungen nicht immer zwangsläufig vorhergehender Abmahnungen. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist grundsätzlich ohne Abmahnung beispielsweise möglich bei einem schwerwiegenden Verstoß gegen ein Alkoholverbot, bei einer hartnäckigen und uneinsichtigen Arbeitsverweigerung, schweren Beleidigungen oder gar sexuellen Belästigungen.  Auch bei Straftaten im Arbeitsverhältnis, der Androhung künftiger Erkrankungen oder dem Vortäuschen von Straftaten ist zumeist eine Abmahnung entbehrlich. Die verhaltensbedingte Kündigung führt beim Arbeitnehmer in der Regel zu einer Sperrzeit beim Bezug des Arbeitslosengeldes oder einer Sanktion der SGB II – Leistungen. Die Sperrzeit beim Arbeitslosengeld bedeutet nicht nur, dass es die ersten drei Monate kein Arbeitslosengeld gibt, sondern verkürzt die Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes um ein Viertel. Wer bereits einen Arbeitslosengeldanspruch von mehr als zwölf Monaten hat, verliert somit auch am Ende der Bezugsdauer weitere Monate Arbeitslosengeld. Entsprechend werden Kündigungsschutzklagen nicht nur wegen der verhaltensbedingten Kündigung, sondern auch wegen dem Verlust von Sozialleistungen geführt. Die Klage muss spätestens drei Wochen nach dem Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingegangen sein.

Bei der Verhängung einer Sperrzeit ist der Widerspruch gegen den Bescheid des Arbeitsamtes oder Jobcenters möglich. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats ab Zugang des Bescheides bei der Behörde eingegangen sein. Wird auch der Widerspruch mit einem Widerspruchsbescheid abgelehnt ist die Klage beim Sozialgericht möglich, welche ebenfalls innerhalb eines Monats erhoben werden muss.

Therapiestuhl für Kindergarten

Mit Entscheidung vom 03.11.2011 hat das Bundessozialgericht bestätigt, dass die gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet ist, im Rahmen der Mobilitätshilfen zum mittelbaren Behinderungsausgleich einen Therapiestuhl zu übernehmen, soweit dies zum Schulbesuch oder zur Integration in der kindlichen und jugendlichen Entwicklungsphase erforderlich ist. Dieser Anspruch geht  bei Kindern und Jugendlichen weiter als bei erwachsenen Versicherten. „Hinsichtlich des Besuchs einer heilpädagogischen oder integrativen Kindertageseinrichtung ist bislang indes noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen. Der Senat hatte lediglich in einer Entscheidung zur häuslichen Krankenpflege die Pflicht zur versichertenfreundlichen Auslegung der leistungsrechtlichen Vorgaben des SGB V vor dem Hintergrund des § 2 Abs 1 SGB I als geboten angesehen, wozu bei Kindern die Wiederherstellung und Sicherung der Möglichkeit zur sozialen Integration unter Gleichaltrigen in einem Kindergarten bzw. einer Kindertagesstätte sowie der Schulfähigkeit nach Eintritt der Schulpflicht gehört (BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5).“

Das Bundessozialgericht sieht den Besuch einer Kindertageseinrichtung nicht als allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens an. „Noch nicht der Schulpflicht unterliegende gehbehinderte Kinder im Alter zwischen drei und sechs Jahren können aber gleichwohl die Zweitausstattung mit einem weiteren Therapiestuhl auf Kosten der GKV verlangen, wenn der bereits vorhandene heimische Therapiestuhl wochentäglich nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand zum Kindergarten transportiert werden könnte und bei diesen Kindern deshalb die Förderung ihrer Schulfähigkeit sowie die Integration in den Kreis Gleichaltriger nicht gesichert wären.“

Zugleich stellt das Bundessozialgericht klar: „Zentrales Ziel der Kinderförderung ist nicht nur die Betreuung, sondern auch die Bildung und Erziehung der Kinder, wobei dem Bildungsauftrag nach dem Willen des Gesetzgebers eine besondere Bedeutung zukommt (vgl § 22 SGB VIII)… Deshalb hat die GKV auch schon in diesem vorschulischen Bereich ab Vollendung des 3. Lebensjahres eines behinderten Kindes dafür Sorge zu tragen, dass eine ausreichende und den möglichst reibungslosen Besuch von Kindertagesstätten zulassende Versorgung mit Hilfsmitteln erfolgt.“  (Aktenzeichen des Bundessozialgericht: B 3 KR 13/10 R-, B 3 KR 8/11 R und B 3 KR 7/11 R)

Im vorliegenden Rechtsstreit ging es um eine Kostenerstattung für den Therapiestuhl, da die Krankenkasse die Übernahme im Vorfeld abgelehnt hatte und die Betroffenen dieser erst mal aus der eigenen Tasche bezahlt haben.

Hartz IV und Entschädigung von Hausfrauen

Hausfrauen erhalten eine Entschädigung für die Teilnahme an Gerichtsterminen in Höhe von 12 Euro pro Stunde. Vorliegend war streitig, ob diese Entschädigung auch zusteht, wenn Leistungen nach dem SGB II bezogen werden. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hatte mit Beschluss vom 18.11.2011 zum Aktenzeichen L4 P 18/09 zu entscheiden, ob einem Hartz-IV-Empfänger für die Teilnahme an einem Gerichtstermin die so genannte „Hausfrauenentschädigung“ in Höhe von 12 Euro pro Stunde und nicht nur die erheblich geringere Zeitaufwandsentschädigung zusteht.

Nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz erhalten Personen, welche vom Gericht herangezogen werden, wie zum Beispiel Zeugen, Sachverständige und Dritte, eine Entschädigung für Fahrtkosten und ihren Zeitaufwand. Dies ist auch der Fall, wenn das persönliche Erscheinen der Partei zum Gerichtstermin angeordnet wird. Hierbei werden grundsätzlich drei Euro pro Stunde zugrunde gelegt. Nach § 21 des Gesetzes erhalten Personen, die einen eigenen Haushalt für mehrere Personen führen, „eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung von 12 Euro je Stunde, wenn sie nicht erwerbstätig sind oder wenn sie teilzeitbeschäftigt sind und außerhalb ihrer vereinbarten regelmäßigen täglichen Arbeitszeit herangezogen werden.“

Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat entschieden, dass auch Hartz-IV-Empfänger diese höhere Entschädigung erhalten, wenn sie einen eigenen Haushalt für mehrere Personen führen. Das Gesetz mache keine Unterscheidung danach, ob jemand Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII erhalte oder nicht auf Sozialhilfe angewiesen sei.

Kostenerstattung durch Krankenversicherung

Der gesetzlich Krankenversicherte hat gegen die Krankenversicherung „einen Kostenerstattungsanspruch, wenn ein Vertragsarzt den zu behandelnden Versicherten durch unzureichende Aufklärung in dem Glauben lässt, er erbringe eine zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehörende Behandlung.“ (Hessisches Landessozialgericht mit Urteil vom 28.04.2011 zum Aktenzeichen L 8 KR 313/08)

Vorliegend handelte es sich um eine neue Behandlungsform, welche nicht Bestandteil des Leistungsspektrums der Krankenversicherung war. Jedoch hatte sich die Patientin nicht bewusst außerhalb des Systems der Gesetzlichen Krankenversicherung begeben, sondern infolge eines Überweisungsscheins ihres Haus- und Vertragsarztes für eine von der Krankenversicherung zu übernehmenden Leistung. Der Arzt der Institutsambulanz wählte eine von der Überweisung abweichende Behandlungsform, wobei die Patientin nicht erkannte, dass es sich um eine Behandlung außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung handelte. Daher wurde die Krankenversicherung zur Kostenerstattung verurteilt. Das Gericht sah vorliegend ein Systemversagen ausgelöst durch Akteure des Systems, welches nicht zu Lasten der Versicherten gehen darf.

Die Krankenkassen erteilen einer eingeschränkten Anzahl von Ärzten die Zulassung zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung der gesetzlich Versicherten. Die Kassenärztliche Vereinigung erhält über die Krankenkassen die Vergütung für die kassenärztliche Versorgung. Hiermit bezahlt die kassenärztliche Vereinigung die Ärzte für die Versorgung der gesetzlich Versicherten. Die gesetzlichen Krankenkassen erhalten das hierzu erforderliche Geld durch die Beiträge der Versicherten. Der Versicherte kann daher grundsätzlich davon ausgehen, dass mit seinem Krankenversicherungsbeitrag die Kosten für seine Behandlung bei einem Kassenarzt abgedeckt sind. Daher muss vor der Behandlung der Kassenpatient darüber aufgeklärt werden, welche zusätzlichen Kosten von ihm zu tragen sind, damit dieser vor der Behandlung entscheiden kann, ob er diese Behandlung in Anspruch nimmt und somit die Kosten auslöst.

Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen

Die Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen kann dazu führen, dass eine Rente wegen Erwerbsminderung zuzusprechen ist. Bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen besteht ein Anspruch gegen die Rentenversicherung auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung beträgt die tägliche Grenze drei Stunden. Grundsätzlich ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Die Bundesagentur für Arbeit bzw. das Jobcenter und nicht die Rentenversicherung sind zuständig für die Leistungserbringung wegen Arbeitslosigkeit und Bedürftigkeit. Bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung muss die Rentenversicherung jedoch eine konkrete Verweisungstätigkeit benennen, welche der Versicherte noch ausüben kann. Dabei ist auch zu prüfen, ob der Arbeitsmarkt für den Versicherten praktisch verschlossen ist. Es kommt auf den Einzelfall an, „insbesondere … von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso umgehender und konkreter muss der Rentenversicherungsträger … die Entscheidung zur Frage der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer scheren spezifischen Leistungsbehinderungen begründen.“ Bundessozialgericht, Urteil vom 19.10.2011 – B 11 R 78/09 R

Kein Anspruch auf Spitzenmedizin

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen nicht alle Krankenbehandlungen zahlen, sondern nur die Diagnostik und Behandlung, die vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst sind. Dieser Grundsatz gilt auch bei lebensbedrohlichen Erkrankungen, wenn zumutbare Alternativen nach allgemein anerkannten medizinischen Standards zur Verfügung stehen. Nach dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17.04.2012 zum Aktenzeichen L 1 KR 298/10 besteht selbst bei lebensbedrohlichen Behandlungen kein Anspruch auf „Spitzenmedizin um jeden Preis.“

Der allgemein anerkannte medizinische Standard im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach dem Willen der Bundestagsabgeordneten eben nicht die Spitzenmedizin mit weniger riskanten oder effektiveren Behandlungsformen oder weniger Nebenwirkungen und weniger Risiken. Diese Behandlungsformen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung können nur Privatpatienten wählen oder gesetzliche Versicherte, welche diese Spitzenmedizin selbst bezahlen, sei es über eine private Zusatzversicherung.

Es gibt in Einzelfällen Ausnahmen. Es ist an der aktuellen Rechtsprechung zu prüfen, ob bei einem selbst ein solcher Ausnahmefall vorliegt. Gegebenenfalls ist zu prüfen, ob es eine Erfolgsaussicht gibt, dass auch für den eigenen Einzelfall Aussichten bestehen, dass die Sozialgerichte vom Grundsatz abstand nehmen, dass nur die Leistungen an gesetzlichen Versicherte erbracht werden, welche sich im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse befinden. Hierzu geben Spezialisten im Medizinrecht Auskunft, wie Fachanwälte für Medizinrecht oder Fachanwälte für Sozialrecht.

Verfassungswidrige Festlegung der SGB II-Regelbedarfe

Ob der neue SGB II – Regelsatz verfassungsmäßig ist, muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 25.04.2012 zum Aktenzeichen S 55 AS 9238/12 das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Regelleistungen insoweit mit Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG und dem sich daraus ergebenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar sind, als die für die Höhe der Grundsicherungsleistung maßgeblichen Regelbedarfe für als Ehegatten zusammenlebende erwachsene Hilfebedürftige für das Kalenderjahr 2011 auf einen Betrag von 328,00 € und für das Kalenderjahr 2012 auf einen Betrag von 337,00 € und für die Leistungen von 15-18-Jährigen in Höhe von 287,00 € festgelegt worden sind.

Das Sozialgericht sieht die Verfassungswidrigkeit im Wesentlichen darin, dass mit dem Gesetz von den Strukturprinzipien des Statistikmodells ohne sachliche Rechtfertigung abgewichen ist und wesentlich wertende Entscheidungen unter Missachtung des Gestaltungsspielraums fehlerhaft getroffen wurden. Betroffen ist die Festlegung der Referenzgruppe der Bedarfe für Alleinstehende, indem lediglich die unteren 15 % der alleinstehenden Haushalte zugrunde gelegt und darauf die Bedarfe der zusammenlebenden Ehegatten und Partner gestützt worden sind. Besondere Bedarfssituationen einer Familie sind auch nicht berücksichtigt worden. Des Weiteren wird die Einbeziehung studentischer Haushalte abgelehnt, da BaföG-Leistungen selbst eine existenzsichernde Funktion haben und daher gar nicht den Bedarf bestimmen können sowie solcher Haushalte, die Transferleistungen beziehen.

Betreffend das Ansparmodell langlebiger Konsumgüter (wie Kühlschrank, Waschmaschine usw.) wird kritisiert, dass nach den zugrunde gelegten Zahlen Gebrauchsgüter für einen solchen langen Zeitraum nicht erworben werden können.

Den Teilhabeaspekt sieht es durch die Kürzung von Aufwendungen für Verkehr, auch wenn die Nutzung eines KFZ nicht zum existentiellen Bedarf zählt, alkoholischer Getränke sowie anderer Güter und Dienstleistungen verletzt.

Bei den Jugendlichen wird bemängelt, dass die Teilhabebedarfe aus dem Regelbedarf entnommen worden sind und nunmehr nur noch über § 28 SGB II in einem abgeschlossenen Leistungskatalog gewährt werden.

Das Sozialgericht kommt zu dem Ergebnis, dass der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft monatlich 100 EUR Leistungen verfassungswidrig vorenthalten werden.

Entsprechend wurde schon länger auf eine solche Vorlage beim Bundesverfassungsgericht gewartet. Betroffene sollten wie beim letzten Vorlagebeschluss Widerspruch gegen die Bewilligungsbescheide und Neufeststellungsanträge unter Verweis auf dieses Verfahren einlegen, damit die Chance auf Nachzahlung besteht, falls das Bundesverfassungsgericht höhere Regelleistungen zuspricht.

Kündigung Pflegevertrag

Selbst wenn in einem Pflegevertrag eine Kündigungsfrist vereinbart wurde, ist die Kündigung des Vertrages ohne Einhaltung dieser Kündigungsfrist jederzeit mit sofortiger Wirkung möglich. Wenn ein Pflegebedürftiger kein Vertrauen mehr zum Pflegedienst habe, ist es ihm nicht zumutbar, sich von diesem Pflegedienst bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist pflegen zu lassen oder den Pflegedienst zu bezahlen, ohne diesen noch in Anspruch zu nehmen. Daher muss sich der Pflegebedürftige jederzeit fristlos vom Pflegevertrag lösen können. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 09.06.2011 zum Aktenzeichen III ZR 203/10 bestätigt. Hierbei werde nach Auffassung des Gerichts der Pflegedienst nicht unangemessen benachteiligt, da dieser auch in anderen Fällen flexibel sein müsse, wie in Fällen eines Krankenhausaufenthaltes oder des Todes des Pflegebedürftigen. Natürlich macht es trotzdem für beide Seiten Sinn, wenn der Pflegebedürftige möglichst frühzeitig den Pflegedienst von der Beendigung des Pfelgevertrages informiert.

Wenn sich im Einzelfall der Pflegedienst nicht mit der firstlosen Kündigung einverstanden erklärt, sollte der Pflegebedürftige sich einen auf das Sozialrecht oder Medizinrecht spezialierten Rechtsanwalt suchen, wie zum Beispiel einen Fachanwalt für Medizinrecht oder einen Fachanwalt für Sozialrecht. Die vorliegende Entscheidung betraf eine ambulante Pflege. Ob sich diese Entscheidung auf stationäre Pflegeverträge anwenden lässt, werden Gerichte noch zu entscheiden haben. Auch die Pflegedienste müssen sich auf derartige Entscheidungen einstellen und dies widerum in ihrer Kostenstruktur berücksichtigen, dass dieses Risiko von ausfallenden Kosten ohne zeitnahe Ersatzbelegung des Pflegeplatzes durch alle übrigen Pflegebedürftigen mit zu bezahlen ist. Andernfalls besteht das Risiko, dass die Pflegedienste nicht kostendeckend arbeiten und dies sich widerrum auf die Qualität der Pflege und die Personalausstattung auswirken wird.