Familienversicherung

Behinderte in kostenfreier Familienversicherung ohne Altersgrenze

Wenn behinderte Kinder außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, bleiben sie ohne eine Altersbegrenzung in gesetzlichen Krankenversicherung ihrer Eltern kostenlos familienversichert. Das Sozialgericht Dortmund musste mit Urteil vom 27.06.2013 zum Aktenzeichen S 39 KR 490/10 die AOK Nordwest entsprechend verurteilen. Die AOK Nordost hatte es abgelehnt, eine geistig behinderte Frau über das 23. Lebensjahr hinaus über die gesetzliche Krankenversicherung des Vaters als kostenfrei familienversichert zu führen. Nach Ansicht der AOK Nordost könne sich die geistig behinderte Tochter des Versicherten nunmehr selbst unterhalten. Das Sozialgericht Dortmund war anderer Meinung. Nach Ansicht des Gerichts seien die konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten des behinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Für das Sozialgericht stand fest, dass die behinderte volljährige Tochter aufgrund der seit Geburt bestehenden geistigen Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. Insbesondere sei der erschwerte Zugang geistig behinderter Menschen zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu berücksichtigen, wie auch die Lohnstrukturen. Selbst wenn eine gering qualifizierte Tätigkeit im Niedriglohnbereich noch möglich sei, würden aufstockende Grundsicherungsleistungen erforderlich werden. Mithin ist damit nicht genüge getan, sich selbst zu unterhalten. Konsequenter Weise verurteilte das Sozialgericht die AOK Nordwest, die behinderte Tochter beim versicherungspflichtigen Vater weiter als kostenfrei familienversichert zu führen.

Arbeitsunfähigkeit

Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom ersten Krankheitstag an

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.11.2012 zum Aktenzeichen 5 AZR 886/11 bestätigt, dass der Arbeitgeber verlangen kann, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom ersten Krankheitstag an vorzulegen ist.

„Eine von  § 5 Absatz 1 EFZG abweichende Regelung der Anzeige- und Nachweispflichten bei Arbeitsunfähigkeit durch Tarifvertrag bedarf einer klaren Regelung.“

Vorliegend ging der Streit über die Berechtigung des Arbeitgebers, von der Arbeitnehmerin die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer schon von dem ersten Tag der Erkrankung an zu verlangen. Der auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommende Manteltarifvertrag bestimmt: „Erkrankt ein Arbeitnehmer, so muss spätestens am vierten Tag ein ärztliches Attest beigebracht werden. Der Arbeitgeber ist berechtigt, ein Attest des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu verlangen; die hierdurch entstehenden Kosten trägt der“ Arbeitgeber.

Der Arbeitgeber forderte die Arbeitnehmerin auf: „bei zukünftigen Krankheitsfällen schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest zu liefern“.

Hiergegen wandte sich die Arbeitnehmerin über das Arbeitsgericht aufgrund der genannten Bestimmung des Manteltarifvertrages.  Das Arbeitsgericht, das Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht sahen für die Klage keinen Erfolg. Hiernach ist der Arbeitgeber berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Die Regelung eröffnet dem Arbeitgeber nicht nur das Recht der zeitlich früheren Anforderung, sondern daneben das Recht, den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung auch für Zeiten zu verlangen, die nicht länger als drei Tage andauern. „Das Verlangen bedarf weder einer Begründung noch eines sachlichen Grundes oder gar besonderer Verdachtsmomente auf Vortäuschung einer Erkrankung in der Vergangenheit.“ Der vorliegende Tarifvertrag schließt dieses Recht des Arbeitgebers nicht aus. Hierzu hätte es einer klaren Regelung des Tarifvertrages bedurft.

zahnärztliche Versorgung

Verbesserung der zahnärztlichen Versorgung von immobilen Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen

Nach Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums vom 26.03.2013 treten zum 01.04.2013 Neuregelungen in Kraft, die eine Verbesserung der zahnärztlichen Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen bewirken sollen. Eine angemessene und extrabudgetäre Honorierung soll Anreize bieten für eine Versorgung bei den Patienten zu Hause.

Mit einem entsprechenden Beschluss des Bewertungsausschusses vom 15.02.2013 setzen die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband die Vorgaben des Gesetzgebers aus dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz um.  Hintergrund ist, dass es pflegebedürftigen und behinderten Menschen gesundheitsbedingt häufig nicht möglich ist, selbst die Praxis des Zahnarztes aufzusuchen. Diese so genannte „aufsuchende Versorgung“ wird deshalb angemessen extrabudgetär honoriert. Ob die Höhe tatsächlich angemessen ist, oder nur als „angemessen“ bezeichnet wird, wird die Praxis zeigen. Jedenfalls soll so eine Versorgungslücke bei immobilen Patientinnen und Patienten geschlossen werden.

Die Vertragszahnärzte erhalten zusätzlich zu den Besuchsgebühren und dem Wegegeld eine Vergütung für die Versorgung in häuslicher Umgebung oder in Einrichtungen. Diese zusätzliche Leistungsposition soll „dem erhöhten personellen, instrumentellen und zeitlichen Aufwand für die aufsuchende Betreuung Rechnung tragen.“

Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz soll der anspruchsberechtigte Personenkreis auf Menschen mit Demenz und psychischen Erkrankungen erweitert werden. Diese Neuregelungen sollen nach den Angaben des Ministeriums mit Mehrkosten für die Gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von jährlich ca. 20 Millionen Euro verbunden sein.

Pflegebett

Anspruch auf elektrisches Pflegebett

Das Landessozialgericht Bayern hat mit Urteil vom 07.11.2012 zum Aktenzeichen L 2 P 66/11 dem Pflegebedürftigen den Rechtsanspruch gegen die Pflegeversicherung auf die Übernahme der Anschaffungskosten für ein elektrisches Pflegebett bestätigt.

Die Pflegeversicherung war der Meinung, dass ein Standard-Pflegebett ausreichend sei und lehnte die Kostenübernahme für ein elektrisches Pflegebett ab, da dieses dem Ausgleich der Behinderung dienen würde und nicht vorwiegend der Pflege. Das Sozialgericht Augsburg und das Landessozialgericht Bayern sahen dies anders und gaben dem Kläger Recht.

Das Landessozialgericht führte insbesondere aus: „Darüber hinaus bietet das Völker-Pflegebett 3082 K dem Kläger gegenüber einem Standard-Pflegebett folgende Vorteile, die kein günstigeres Bett aufweist:

1. Im Gegensatz zum Standard-Pflegebett ist das seitliche Gitter beim Völker-Pflegebett geteilt und kann vom Kläger selbst bedient werden. Beim Standard-Pflegebett besteht dagegen ein ungeteiltes, über die gesamte Bettlänge durchgehendes Bettgitter, das nur unter erheblichem mechanischen Kraftaufwand von der Pflegekraft, nicht aber vom Kläger selbst entfernt werden kann. Ist es entfernt, besteht für den Kläger beim Standard-Bett keine Möglichkeit, sich beim Aufrichten oder Umdrehen festzuhalten. Am Bettgalgen kann er sich nicht festhalten, weil ihm hierfür die notwendige Kraft fehlt. Infolgedessen kann sich der Kläger im Standard-Pflegebett weder selbstständig aufrichten noch in Seitenlage bringen oder umlagern. Dem Kläger gelingt im Völker-Pflegebett sogar der selbstständige Transfer vom Bett zum Rollstuhl und umgekehrt, und er kann so nachts ohne Hilfe der Ehefrau selbstständig die Toilette aufsuchen …

2. Beim Standard-Pflegebett befand sich aufgrund der Körpergröße des Klägers und der Überlänge des Bettes der Knick der Liegefläche nicht wie gewünscht im Kniebereich, sondern in der Mitte des Oberschenkels des Klägers. Beim Völker-Pflegebett kann die Knieknickstellung genau eingestellt werden.

Darüber hinaus bestehen auch weitere allgemeine Vorteile:

3. Während Pflegemaßnahmen im Sitzen vorgenommen werden, kann sich der Kläger am hälftigen Seitenteil im Völker-Pflegebett festhalten. Dies entlastet die Pflegekraft, die sich beim Standard-Pflegebett entweder über das Gitter beugen oder den Kläger gleichzeitig festhalten muss.

4. Die zwei Selbstbedienungselemente des Völker-Pflegebetts erlauben es dem Kläger in jeder Körperlage selbsttätig, die Selbstbedienung zu benutzen und das Bett in geeignete Positionen zu bringen. Dagegen kann der Kläger das Bedienteil des Standard-Pflegebetts nicht in jeder Körperlage bedienen, zudem besteht die Gefahr des Herunterfallens und der Verhedderns mit seinem Beatmungsschlauch.

5. Im Gegensatz zum Völker-Pflegebett erreicht das Standard-Pflegebett seine volle Standfestigkeit nur, wenn alle vier Rollen festgestellt werden. Das ist für die Pflegekräfte sehr mühsam, da das Bett in der Ecke steht. Für pflegerische Maßnahmen, bei denen zwei Personen benötigt werden, sowie für Krankengymnastik muss es aber regelmäßig in die Raummitte geschoben werden. Die absolute Standfestigkeit ist notwendig, damit der Kläger mit minimaler Muskelkraft Bewegungen ausführen kann, ohne dass es zu leichtem Schaukeln des Bettes kommt.

6. Das Völker-Pflegebett verfügt im Gegensatz zum Standard-Pflegebett über keinen herkömmlichen Lattenrost, sondern über ein sog. Mikro-Stimulationssystem zur Unterstützung der Dekubitus-Prophylaxe. Dadurch werden Druckschmerzen am Hüftknochen vermieden.

7. Das Völker-Pflegebett bietet anders als das Standard-Pflegebett stufenlose Möglichkeiten zur Hochlagerung der Beine, was zur Drainage der Unterschenkelödeme des Klägers erforderlich ist.“

Einsicht in Pflegedokumentation

Einsicht in Pflegedokumentation

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 26.02.2013 zum Aktenzeichen VI ZR 359/11 entschieden:

„1. Der Anspruch des Pflegeheimbewohners auf Einsicht in die Pflegeunterlagen geht gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 410 Abs. 1 BGB analog, § 412 BGB auf den – aufgrund des Schadensereignisses zu kongruenten Sozialleistungen verpflichteten – Sozialversicherungsträger über, wenn und soweit mit seiner Hilfe das Bestehen von Schadensersatzansprüchen geklärt werden soll und die den Altenpflegern obliegende Pflicht zur Verschwiegenheit einem Gläubigerwechsel nicht entgegensteht.

2. Die Pflicht zur Verschwiegenheit steht einem Gläubigerwechsel in der Regel nicht entgegen, wenn eine Einwilligung des Heimbewohners in die Einsichtnahme der über ihn geführten Pflegedokumentation durch den Sozialversicherungsträger vorliegt oder zumindest sein vermutetes Einverständnis anzunehmen ist, soweit einer ausdrücklichen Befreiung von der Schweigepflicht Hindernisse entgegenstehen.

3. Es wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass die Offenlegung der Pflegedokumentation gegenüber dem Krankenversicherer dem mutmaßlichen Willen des verstorbenen Heimbewohners entspricht, wenn die Entbindung von der Schweigepflicht dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung von Betreuungspflichten des Altenpflegepersonals ermöglichen soll.“

Vorliegend hatte die Krankenkasse den beklagten Heimträger aus übergegangenem Recht einer bei ihr versicherten Heimbewohnerin auf Herausgabe der Kopien der Pflegedokumentation in Anspruch genommen, da sich die Versicherte bei einem Sturz in dem von der Beklagten betriebenen Pflegeheim erhebliche Verletzungen zuzog. Da die Krankenkasse die Behandlungskostengetragen hat, wollte sie auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche prüfen.

Nach den Ausführungen des BGH steht dem Heimbewohner grundsätzlich ein Einsichtsrecht in die ihn betreffende Pflegedokumentation als Nebenanspruch aus dem Heimvertrag zu. Dieser Anspruch geht auf den Sozialversicherungsträger über, wenn und soweit mit seiner Hilfe das Bestehen von Schadensersatzansprüchen geklärt werden soll und die Altenpflegern obliegende Pflicht zur Verschwiegenheit einem Gläubigerwechsel nicht entgegensteht.

Chefarzt Kündigung

Außerordentliche Kündigung von Ärzten und Chefärzten

Die Arbeitsgerichte müssen sich immer wieder mit außerordentlichen Kündigungen von Ärzten und Chefärzten auseinandersetzen. So hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit Urteil vom 17. April 2013 zum Aktenzeichen 2 Sa 179/12 die außerordentliche Kündigung eines Chefarztes wegen unzulässiger Privatliquidation für wirksam erklärt und eine vorherige Abmahnung für entbehrlich gehalten.

Die Arbeitgeberin hat die außerordentliche Kündigung darauf gestützt, dass der Chefarzt ärztliche Leistungen abgerechnet hat, zu deren Abrechnung er nach der § 4 Abs. 2 der GOÄ nicht berechtigt war. Dieser Abrechnungsbetrug ist an sich ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten, insbesondere eine Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht, die dem Schutz und der Förderung des Vertragszweckes dienen, kann an sich ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein, so das Landesarbeitsgericht. Das Verhalten des Chefarztes war geeignet, den Ruf des Arbeitgebers im Geschäftsverkehr zu gefährden. Gerade ein Chefarzt in leitender Position ist verpflichtet, zur Förderung des Vertragszweckes sein Verhalten in der Weise einzurichten, dass er das Ansehen des Arbeitgebers nicht beschädigt.

Der Arzt kann gemäß § 4 Abs. 2 GOÄ Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Vorliegend hatte der Chefarzt jedoch weder die ärztlichen Leistungen selbst erbracht, noch unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung durchführen lassen. Nach den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts muss der Chefarzt an der Leistungserbringung im Einzelfall mitwirken und die nach der jeweiligen Art der Leistung gebotene Aufsicht führen. „Der Chefarzt muss der Verantwortlichkeit für die Durchführung der delegierten Leistungen im Einzelfall tatsächlich und fachlich gerecht werden. Eine derartige Aufsicht setzt aber – wenn schon nicht Anwesenheit – dann jedenfalls die Möglichkeit, unverzüglich persönlich einwirken zu können, voraus. Dagegen reicht es nicht aus, dass der Chefarzt die Behandlung nur supervisiert und fachlich begleitet.“

Das Landesarbeitsgericht stellte nochmals klar, dass es zur „Erfüllung der Verpflichtung aus dem Wahlarztvertrag erforderlich ist, dass der Chefarzt durch sein eigenes Tätig werden der wahlärztlichen Behandlung sein persönliches Gepräge gibt, d. h. er muss sich zu Beginn, während und zum Abschluss der Behandlung mit dem Patienten befassen. Kernleistungen hat er stets persönlich zu erbringen. Dabei ist bei jeder einzelnen Behandlungsmaßnahme zu fragen, ob sie dem Wahlarzt nach herkömmlichem Verständnis zur eigenen Verantwortung zuzurechnen ist. Ist dies nicht gewährleistet, so handelt es sich nicht um eine zulässige gebührenrechtliche Delegation. Der Honoraranspruch des Chefarztes besteht nicht, weil es sich nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ nicht um eine eigene Leistung handelt.“

Ist wie vorliegend von einer vorhersehbaren Verhinderung des Klägers in den streitbefangenen Fällen auszugehen, die von einer Wahlarztvereinbarung nicht umfasst wird, darf auch keine entsprechende Liquidation von Wahlarztleistungen erfolgen. Der Chefarzt hatte mit den Patienten auch keine wirksame Stellvertretervereinbarung im Wege der Individualabrede getroffen.

In dem vorliegenden Fall hat somit der Chefarzt gegenüber den Patienten/Krankenkassen über das Vorliegen der Tatsachen getäuscht, die den geltend gemachten Zahlungsanspruch begründet hätten. Diese Pflichtverletzung ist dem handelnden Chefarzt vorzuwerfen. Er hat nicht substantiiert vorgetragen, dass er gehindert war, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Darüber hinaus hat der Chefarzt keine durchgreifenden Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorgetragen.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgericht hat der Chefarzt „durch sein Verhalten seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzt, denn er hat alles zu unterlassen, was das Ansehen und den Ruf des Beklagten schädigen kann.“  Der Chefarzt „war gehalten, das Vertrauen Außenstehender – hier der Patienten – in die korrekte Abrechnung der medizinischen Leistungen nicht zu erschüttern und auf diese Weise den Ruf der Beklagten zu belasten. Unzulässige Abrechnungen fallen negativ auf die Beklagte zurück. Diese setzt sich damit dem Verdacht aus, aus ihrer Sphäre heraus, durch ihre Mitarbeiter, würden Patienten und Krankenkassen betrogen.“

Wegen dieser Schwere der Vertragsverletzungen bedurfte es im vorliegenden Fall nicht einmal einer vorherigen Abmahnung. Angesichts des planvollen und zielgerichteten Handelns des Chefarztes und angesichts der Häufigkeit der falschen Abrechnungen liegt auch kein Flüchtigkeitsfehler oder ein einmaliger Ausrutscher vor.

Arzthonorar

Rückforderung von Arzthonorar

Niedergelassene Ärzte erhalten für ihre ärztlichen Leistungen zugunsten der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung keine monatliche Vergütung, sondern für jedes Quartal des Jahres einen Honorarbescheid. Bis zur Auszahlung aus dem Honorarbescheid gehen die Ärzte in der Regel in Vorleistung für Praxiskosten, wie zum Beispiel die Vergütung für das Personal. Die Abrechnung der Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung ist höchst kompliziert und bürokratisch organisiert, worauf die Ärzte keinen direkten Einfluss haben. Daher kann es auch passieren, dass sich Fehler einschleichen. Zur Vermeidung von Falschabrechnungen erfolgen Plausibilitätsprüfungen. Bei einer Kinderärztin führten diese Prüfungen dazu, dass die Kassenärztliche Vereinigung zu dem Schluss kam, dass in den Quartalen 1/2008 bis 3/2010 jeweils mindestens eine unrichtige Honorarabrechnung vorliegen würde. Auf dieser Grundlage wurden ca. 300.000,00 Euro Honorare zurück gefordert. Die Kinderärztin wehrte sich mit einem Widerspruch, was jedoch nicht ausreicht, da die Rückforderung der sofortigen Vollziehung unterliegt, also sofort auch zwangsweise durchgesetzt werden kann. Daher verlangte die Kindeärztin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs im Umfang von ca. 260.000 Euro und zahlte ca. 40.000 Euro Honorar zurück. Da die Kassenärztliche Vereinigung auch an der sofortigen Durchsetzung des Restbetrages festhalten wollte, war zusätzlich ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren beim Sozialgericht erforderlich zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Dies hatte das Ziel, dass darüber hinausgehende Rückforderungen, sofern diese sich in einem Klageverfahren bestätigen, erst zurück gefordert werden können, wenn diese Rückforderungen und deren Höhe endgültig feststehen, also erst dann, wenn deren Berechtigung tatsächlich gegeben ist.

Die Kinderärztin hatte hiermit Erfolg und das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen gab der Kinderärztin mit Beschluss vom 28. Januar 2013 zum Aktenzeichen L 3 KA 34/12 B ER recht, da das Gericht ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der noch geltend gemachten Honorarrückforderung hatte.

Dass es bei diesen Rahmenbedingungen schwierig ist, Nachfolger für ärztliche Praxen insbesondere im ländlichen Bereich zu finden, ist auch aus diesem Gesichtspunkt nachvollziehbar.

Schulden Haushaltsenergie

Schulden für Haushaltsenergie – Jobcenter muss helfen

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 13.05.2013 zum Aktenzeichen L 2 AS 313/13 B ER entschieden, dass das Jobcenter Münster einem Hartz-IV-Empfänger vorläufig ein Darlehen zur Tilgung von Strom- und Gasschulden, Haushaltsenergie, in Höhe von rund 3.000 Euro bewilligen muss. Das Gericht sah keine andere Möglichkeit, die Wohnung des Leistungsempfängers wieder mit Strom, Haushaltsenergie, zu versorgen.

Bei dem Bedürftigen waren erhebliche Schulden bei Stadtwerken aufgelaufen. Das Jobcenter hatte bereits Abschläge für die Gasheizung – Haushaltsenergie an den Bedürftigen gezahlt. Jedoch hatte dieser dann die Zahlungen nur teilweise an die Stadtwerke weitergeleitet. Dadurch kam er mit den Abschlägen für Strom in Rückstand. Hierdurch häuften sich erhebliche Schulden bei den Stadtwerken für den Energieverbrauch an.

Trotz dieser Pflichtverletzungen des Bedürftigen ist das Jobcenter zur Übernahme der Energie-Schulden im Rahmen eines vorläufigen Darlehens verpflichtet, da ansonsten keine andere Möglichkeit gegeben war, die Wohnung des Bedürftigen wieder mit Energie zu versorgen. Selbst ein Anbieterwechsel schied wegen hoher Schulden aus.

In dieser Entscheidung hat das Landessozialgericht zugleich das Unterlassen einer Entscheidung durch das Jobcenter gerügt. Seit einem Jahr weigerte sich das Jobcenter  beharrlich, eine Entscheidung über die Darlehensgewährung zu treffen, obwohl der Leistungsberechtigte nach Ausbau der Zähler immer wieder dort vorgesprochen hatte. Zudem rügte das Gericht, dass das Jobcenter nicht einmal während des gerichtlichen Verfahrens die Bescheidung nachgeholt hat. Dem Jobcenter hätte bei Fortbewilligung der Leistungen zudem auffallen müssen, dass das Konto des hoch verschuldeten Bedürftigen keine Abbuchungen zu Gunsten der Stadtwerke ausgewiesen habe. Dadurch habe das Jobcenter gegen seine gesetzliche Pflicht zur Hilfe von Bedürftigen bei Kenntnis einer Notlage verstoßen.

Die Übernahme der Stromschulden durch ein vorläufiges Darlehen bedeutet zugleich, dass das Jobcenter die Möglichkeit der Verrechnung des Darlehens mit den laufenden Regelleistungen im Umfang der gesetzlichen Vorgaben hat und somit der Bedürftige letztendlich selbst die durch ihn verursachten Stromschulden begleichen muss und daher nicht besser gestellt wird, wie diejenigen, die ihre Stromkosten zeitnah an die Stadtwerke weiterleiten.

Bei Sanktion Erhöhung Bedarf der Mitbewohner

Erhöhung des Bedarfs der Mitbewohner durch Sanktion ausfallender Mietanteil eines anderen in Bedarfsgemeinschaft lebenden SGB-II-Beziehers

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 23.05.2013 zum gerichtlichen Aktenzeichen B 4 AS 67/12 R entschieden, dass sich der Bedarf der Mitbewohner erhöht, wenn einem SGB-II-Empfänger als Sanktion die Leistungen für Unterkunfts- und Heizaufwendungen entzogen werden. Diesen Mitbewohnern sind dann weitere Leistungen zur Verfügung zu stellen, welche In Höhe des sanktionsbedingt weggefallenen Mietkostenanteils sind. Das Bundessozialgericht ist sich bewusst, dass die Sanktion dadurch teilweise ins Leere läuft, dies könne jedoch zu keiner Änderung der gesetzlichen Lage führen, an welches sich das Gericht halten muss.

Vorliegend waren einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, welche noch keine 25 Jahre alt war, nach mehreren Sanktionen die Leistungen für drei Monate vollständig entzogen worden. Für diesen Zeitraum bewilligte der SGB-II-Träger die Leistungen für die gesamte Bedarfsgemeinschaft neu, berücksichtigte bei der Klägerin und dem minderjährigen Sohn wie bisher einen Anspruch für die Kosten der Unterkunft nach dem sogenannten Kopfteilprinzip und setzte den Anteil des sanktionierten Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft auf null Euro. Dieser ging nicht gegen seine Leistungskürzung vor. Die Klägerin und ihr minderjähriger Sohn machten im Sozialgerichtsverfahren geltend, dass die tatsächlichen Mietkosten nur noch zu zwei Dritteln übernommen würden.

Das Bundessozialgericht bestätigte die Vorinstanzen und sprach der Klägerin und ihrem minderjähriger Sohn jeweils weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt dem beim sanktionierten Sohn weggefallenen Betrag zu. Aufgrund  des sanktionsbedingten Wegfalls des Anteils des sanktionierten Sohns hätten sich die von ihnen tatsächlich zu tragenden Wohnungsaufwendungen erhöht. „Dieser Bedarf sei nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen. Die Vorschrift sehe keine nur anteilige Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung bei der Nutzung einer Wohnung durch mehrere Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft vor.“

Weiter führte das Bundessozialgericht aus, dass im Regelfall davon auszugehen sei, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung anteilig pro Kopf aufzuteilen sind. „Dies gelte jedoch – trotz gemeinsamer Nutzung einer Wohnung – ausnahmsweise nicht, wenn bedarfsbezogene Gründe eine Abweichung vom Kopfteilprinzip erforderlich machen.“ Dies sei hier gegeben.

Insbesondere wies das Bundessozialgericht darauf hin, dass es keine Mithaftung der nicht sanktionierten Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für Fehlverhalten des volljährigen Sohnes gibt. Selbst wenn die Sanktion damit teilweise ins Leere laufe würde, hätte dies jedoch keine Bedeutung für die Individualansprüche der beiden Kläger. Auch eine faktische Mithaftung sei im SGB II nicht vorgesehen.

Haftung Pflegeheim

Haftung des Pflegeheims wegen Verbrennung durch heißen Tee

Das Oberlandesgericht Schleswig hat mit Urteil vom 31.05.2013 zum Aktenzeichen 4 U 85/12 entschieden, dass ein Pflegeheim haftet, wenn vom Pflegeheimpersonal heißer Tee in Thermoskannen unbeaufsichtigt in einem Raum mit Pflegebedürftigen und Demenzkranken zurückgelassen wird. Bei der 73-jährigen im Rollstuhl sitzenden Heimbewohnerin war infolge der Verbrennung durch heißen Tee eine Hauttransplantation erforderlich. Sie musste über einen Monat im Krankenhaus behandelt werden. Die zuständige Krankenkasse wollte die Behandlungskosten von über 85.000,00 Euro von dem Heimbetreiber ersetzt haben. Das Oberlandesgericht Schleswig hat den Heimbetreiber gegenüber der Krankenkasse zum Schadenersatz verpflichtet.

Das Gericht führte u.a. aus, dass es für das Pflegepersonal vorhersehbar sei, dass durch das unbeaufsichtigte Stehenlassen einer Thermoskanne zu erheblichen Verbrühungen kommen kann, egal ob bei dem sich Einschenkenden oder durch diesen bei anderen Heimbewohnern. Das Gericht stellte klar, dass das Pflegepersonal die Thermoskannen bei Verlassen des Raumes hätte mitnehmen müssen.

Zugleich wies das Gericht darauf hin, dass der Betreiber gegenüber Heimbewohnern Leistungen nach dem anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse zu erbringen hat und ihm eine Obhutspflicht insbesondere im Zusammenhang mit übernommenen Pflegeaufgaben obliege.

Für Betreiber von Pflegeheimen ist daher wichtig, konkrete Arbeitsanweisungen zu erlassen und deren Einhaltung zu kontrollieren. Dies betrifft nicht nur wegen dieser Entscheidung heißen Tee, sondern alle gefährlichen Flüssigkeiten, gefährlichen Gegenstände, Sturzquellen und insbesondere bezüglich der Aufbewahrung und Verabreichung von Medikamenten.