Patientenakte ist vollständig herauszugeben

Der Anspruch auf Herausgabe der Patientenakte in Kopie ist nur erfüllt, wenn der Arzt sämtliche Unterlagen in lesbarer Kopie gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellt. Ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen wegen einer noch offenen Behandlungsrechnung besteht nicht.

Die Klägerin war eine Krankenkasse. Die bei ihr versicherte Patientin war bei der beklagten Zahnärztin in Zahnbehandlung. Die versicherte Patientin gab nach der Behandlung gegenüber ihrer Kasse an, dass die Zahnärztin eine Behandlung an ihr vorgenommen habe, die nicht besprochen war und dabei eine Krone zerstört worden sein soll. Sie leide an Schmerzen und einem bitteren Geschmack im Mund. Die Patientin entband die Zahnärztin von ihrer Schweigepflicht und erklärte sich mit der Herausgabe der Patientenakte an ihre Krankenversicherung einverstanden. Die Krankenversicherung forderte die Patientenakte (Krankenunterlagen) der bei ihr versicherten Patientin bei der Zahnärztin an. Diese reagierte nicht, dass eine Klage gegen die Zahnärztin auf Herausgabe der Krankenunterlagen in Kopie gegen Erstattung der Kopierkosten notwendig wurde. Erst dann legte die Zahnärztin einen Teil der Krankenunterlagen vor, wobei die Kopien der Röntgenaufnahmen nicht auswertbar waren wegen ihrer schlechten Qualität. In der Verhandlung vor dem Amtsgericht übergab die Zahnärztin den elektronischen Karteikartenausdruck über die Behandlung der Patientin und erklärte, dass in ihren Praxisräumen das Original der Röntgenaufnahmen angesehen werden könne. Die Zahnärztin machte ein Zurückbehaltungsrecht an den Unterlagen geltend, da die Rechnung für die Behandlung noch nicht bezahlt sei.

Das Gericht gab der Klage Recht. Die Krankenkasse könne verlangen, dass die Zahnärztin gegen Kostenerstattung Kopien von den kompletten Patientenunterlagen fertigt und an die Versicherung herausgibt. Der Patient habe Anspruch auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen hat, ohne dass er dazu ein besonderes Interesse darlegen müsse. Dieser Anspruch sei auf die Versicherung übergegangen wegen eines möglicherweise bestehenden Anspruchs auf Schadensersatz wegen fehlerhafter zahnärztlicher Behandlung.

Der Anspruch bestehe auch in vollem Umfang fort, obwohl die Zahnärztin einen Teil der Unterlagen im Prozess vorgelegt habe. Denn jedenfalls zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht hätten keine lesbaren Kopien der Röntgenunterlagen vorgelegen. Durch die Vorlage der übrigen Patientenunterlagen sei keine Erfüllung eingetreten, da der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenunterlagen als einheitlicher Anspruch erst dann erfüllt sei, wenn die Einsicht in die vollständigen Patientenunterlagen gewährt wurde. Es sei auch keine teilweise Erfüllung eingetreten, da der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenakten einheitlich und nicht teilbar sei.

Die Zahnärztin habe auch nicht das Recht, die Unterlagen zurück zu behalten, da die Behandlungsrechnung nicht bezahlt wurde. Der Anspruch auf Einsichtnahme in die Patientenunterlagen solle gerade die Feststellung eines möglichen Behandlungsfehlers ermöglichen, aufgrund dessen die Zahlung der Rechnung durch die Versicherte oder die Klägerin verweigert werde. Dies würde konterkariert, könnte dem Anspruch auf Einsichtnahme in die Krankenunterlagen ein Zurückbehaltungsrecht entgegengehalten werden.

Urteil Amtsgericht München vom 06.03.2015 zum Aktenzeichen 243 C 18009/14

Fundstelle: beck-aktuell