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Urlaub verjährt nicht mehr automatisch

Bisherige Rechtsprechung

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs konnte der An­spruch auf den ge­setz­li­chen Min­dest­ur­laub aus einem Ur­laubs­jahr erst nach 15 Monaten erlöschen. Voraussetzung war, dass der Ar­beit­neh­mer tat­säch­lich ge­ar­bei­tet hat, bevor er aus ge­sund­heit­li­chen Grün­den den Ur­laub nicht in Anspruch nehmen konnte.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.12.2022 zum Aktenzeichen 9 AZR 266/20

Nunmehr ist zusätzlich für das Erlöschen des Urlaubs nach Ablauf des Übertragungszeitraums von 15 Monaten erforderlich, dass der Ar­beit­ge­ber den Arbeitnehmer recht­zei­tig in die Lage ver­setzt hat, sei­nen Ur­laub in An­spruch zu neh­men.

Hintergrund der neuen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Ein schwerbehinderter Kläger konnte vom 01.12.2014 bis mindestens August 2019 wegen seiner vollen Erwerbsminderung aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Er hatte für das Jahr 2014 noch einen Urlaubsanspruch von 24 Tagen. Wegen den gesundheitlichen Gründen konnte er seinen Urlaub nicht nehmen. Der Kläger machte in der ersten und zweiten Instanz erfolglos seinen Resturlaub aus dem Jahr 2014 geltend. Er meinte, dass dieser nicht verfallen sei. Der Arbeitgeber hätte seine Obliegenheiten nicht erfüllt. Der Arbeitgeber sei verpflichtet gewesen, an der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub mitzuwirken. Weil der Kläger beim Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht keinen Erfolg hatte, legte er Revision beim Bundesarbeitsgericht ein.

Erfolg beim Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht hat der Revision des Klägers stattgegeben:

„Der im Jahr 2014 nicht genommene Urlaub des Klägers sei nicht allein aus gesundheitlichen Gründen entfallen. Urlaubsansprüche würden nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG) erlöschen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor durch Erfüllung von Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten in die Lage versetzt habe, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe.“

Die 15-Monatsfrist ist richtlinienkonform auszulegen

Nach der bisherigen Senatsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gingen die gesetzlichen Urlaubsansprüche in solchen Fällen bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit ohne weiteres mit Ablauf des 31.03. des zweiten Folgejahres unter. Dies ist allgemein als die15-Monatsfrist bekannt.

Mit einer Vorabentscheidung vom 22.09.2022 hat der Europäische Gerichtshof diese Vorgaben weiter entwickelt. Demnach verfalle zwar weiterhin der Urlaubsanspruch mit Ablauf der 15-Monatsfrist, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert gewesen sei, seinen Urlaub anzutreten. In einem solchen Fall komme es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen sei. Selbst wenn der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen wäre, hätte der Arbeitsnehmer aus gesundheitlichen Gründen den Urlaub nicht in Anspruch nehmen können.

Im vorliegenden Fall ist es jedoch nicht zum Urlaubsverfall aus gesundheitlichen Gründen gekommen.

Die Besonderheit des vorliegenden Falles ist, dass der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden ist. In dieser Konstellation setzt nach Auffassung des Gerichts „die Befristung des Urlaubsanspruchs regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage zu versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen.“

Der für das Jahr 2014 im Umfang von 24 Arbeitstagen noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch habe danach nicht allein deshalb mit Ablauf des 31.03.2016 erlöschen können, weil der Kläger nach Eintritt seiner vollen Erwerbsminderung mindestens bis August 2019 aus gesundheitlichen Gründen außerstande gewesen sei, seinen Urlaub anzutreten. Der Resturlaub sei für dieses Jahr erhalten geblieben, weil die Beklagte ihren zumutbaren Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen sei.

Achtung für Arbeitgeber: das Bundesarbeitsgericht fordert die Belehrung durch Arbeitgeber

Empfehlung für Arbeitgeber:

Nach der Rechtsprechung des Neunten Senats des Bundesarbeitsgerichts beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Arbeitgeber sollten fortlaufend jährlich prüfen, ob die Arbeitnehmer Ihren Urlaub genommen haben und schriftlich nachweislich die Arbeitnehmer mit offenen Urlaubsansprüchen auffordern, Ihren noch nicht verbrauchten Urlaub zu nehmen und die offenen Urlaubstage hierbei genau beziffern.

Empfehlung für Arbeitnehmer:

Ist der Arbeitgeber seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht nachgekommen und verweigert die Gewährung des offenen – aus Arbeitgebersicht verjährten oder verfallenen Urlaubs – können Arbeitnehmer diesen Resturlaub, bzw. dessen Abgeltung in Geld bei ihrem örtlich zuständigen Arbeitsgericht einklagen.

Kündigung Schwerbehinderter ohne Zustimmung Integrationsamts lässt Diskriminierung vermuten

  1. Allgemeines Gleichstellungsgesetz (AGG) – Schwerbehinderung

Ziel des AAG ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rase, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Religion, der Weltanschauung, des Alters und eben auch wegen einer Behinderung zu beseitigen oder zu verhindern. (§ 1 AGG)

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person aus den zuvor genannten Gründen eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. (§ 3 Absatz 1 AGG)

Beschäftigte dürfen nicht wegen eines der zuvor genannten Gründe benachteiligt werden. (§ 7 Absatz 1 AGG)

Ein Beschäftigter, der einen Schaden erleidet, der nicht Vermögensschaden ist, kann eine Entschädigung in Geld von bis zu drei Monatsgehältern verlangen. (§ 15 Absatz 2 AGG)

Wenn im Streitfall die eine Person Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines der zuvor genannten Gründe vermuten lassen, trägt die andere Person die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutze der Benachteiligung vorgelegen hat. (§ 22 AGG)

  1. Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)

Das SGB IX regelt die Rehabilitation und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Teil 3 des SGB IX enthält Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen. In Kapitel 4 dieses Teil 3 sind die Regelungen für den Kündigungsschutz von schwerbehinderten Menschen enthalten.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. (§ 168 SGB IX)

  1. Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 02.06.2022 zum Aktenzeichen 8 AZR 191/21

Das Bundesarbeitsgericht stellte im genannten Urteil klar:

„Der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, begründet die widerlegbare Vermutung, dass die Benachteiligung, die der schwerbehinderte Mensch erfahren hat, wegen der Schwerbehinderung erfolgte. Zu diesen Vorschriften gehört auch § 168 SGB IX, wonach die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedarf.“

  1. Sachverhalt zum Urteil vom 02.06.2022

In den dem Urteil zugrundeliegenden Fall hatte ein schwerbehinderter Kläger eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG eingeklagt. Der Kläger wurde ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt. Im Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht bezüglich der Kündigung.

Der Kläger klagte darüber hinaus eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG ein, da vor Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Zustimmung des Versorgungsamtes nicht eingeholt wurde. Die Klage vor dem Arbeitsgericht und anschließende Berufung des Klägers vor dem Landesarbeitsgericht wurden abgewiesen. Der Kläger legt Revision ein, dass das Bundesarbeitsgericht sich mit der Rechtslage auseinandersetzen musste und zu dem oben genannten rechtlichen Wertungen kam.

Die Revision hatte jedoch keinen Erfolg, da der Kläger vor der Kündigung dem Arbeitgeber seine Schwerbehinderteneigenschaft nicht angezeigt hatte. Daher konnte der Kläger – auch nicht anderweitig – Indizien nachweisen, dass eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung erfolgt sei.

  1. Zusammenfassung

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits in der Vergangenheit zur Indizwirkung von Verstößen des Arbeitgebers gegen Vorschriften zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Berufsleben entscheiden. Jedoch ergingen die bisherigen Entscheidungen im Wesentlichen um die Benachteiligung von Schwerbehinderten bei Bewerbungen und Neuanstellungen.

Nunmehr hat das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung auf Fälle ausgeweitet in Bezug auf den Schutz von schwerbehinderten Menschen im Zusammenhang mit der Kündigung.

  1. Praxishinweis

Schwerbehinderte Menschen (ab einen Grad der Behinderung von 50) und mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Menschen (ab einen Grad der Behinderung von 30 und zusätzlich Gleichstellung durch Agentur für Arbeit) sollten ihren Arbeitgebern die Schwerbehinderung, bzw. die Gleichstellung nachweislich anzeigen. Dann wirken sowohl der erhöhte Kündigungsschutz, wie auch der Indiz für eine Benachteiligung bei fehlender vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes.

Abfindung nach Kündigung

„Eine Abfindung bekomme ich immer, wenn ich gekündigt werde!“

Stimmt das? Oder muss ich um die Abfindung kämpfen?

Kündigungsschutzklage und Abfindung

Die häufigste Form einer Abfindung nach einer Kündigung des Arbeitgebers ist der arbeitsgerichtliche Vergleich. Die Höhe der Abfindung wird individuell ausgehandelt und orientiert sich in der Regel an einem halben Monatsbruttogehalt pro Beschäftigungsjahr. Bei zehn Beschäftigungsjahren wären dies fünf Monatsbruttogehälter. Beim Umfang der Abfindung ist insbesondere das wirtschaftliche Risiko des Arbeitgebers von entscheidender Bedeutung. Je höher dieses Risiko des Arbeitgebers ist, umso höher fällt zumeist die Abfindung aus. Daher ist sowohl für Arbeitnehmer, wie auch für den Arbeitgeber von Vorteil, wenn sie sich durch einen spezialisierten Fachanwalt für Arbeitsrecht vertreten lassen.

Eine Kündigungsschutzklage muss spätestens drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingegangen sein. Wird die dreiwöchige Klagefrist versäumt, kann das Arbeitsgericht die Kündigung nicht mehr prüfen. Auch der Arbeitgeber hat keine Veranlassung bei versäumter Klagefrist die Abfindung zu zahlen, bzw. zu erhöhen.

Immer Anspruch auf Abfindung?

Es besteht der weit verbreitete Irrglauben, dass man infolge einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber immer eine Abfindung bekommt. Dies ist jedoch nicht so. Es gibt keinen generellen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung.

Arbeitsvertraglicher Anspruch auf Abfindung

Die wenigsten Arbeitnehmer haben in Ihrem Arbeitsvertrag eine Abfindungsvereinbarung. Solche Abfindungsvereinbarungen sind zumeist nur in Arbeitsverträgen von Geschäftsführern, Prokuristen oder in Anstellungsverträgen von Vorständen enthalten. Ohne eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag besteht kein arbeitsvertragliche Anspruch auf eine Abfindung.

Abfindung aus Sozialplan

Existiert im Betrieb ein Betriebsrat, kann ein Sozialplan vorliegen. Betriebsräte können mit dem Arbeitgeber in Sozialplänen vereinbaren unter welchen Bedingungen Arbeitnehmer des Betriebes einen Anspruch auf Abfindung haben und wie hoch diese Sozialplanabfindung ist. Zusätzlich zu dieser Sozialplanabfindung kann es im Rahmen einer Kündigungsschutzklage beim arbeitsgerichtlichen Vergleich eine weitere Abfindung geben, welche neben der Sozialplanabfindung zu zahlen ist.

Abfindung aus Gesetz nach § 1a Kündigungsschutzgesetz

Sofern der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung darauf hinweist, dass die Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen erfolgt und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage eine Abfindung beanspruchen kann, sind die Voraussetzungen des § 1 KSchG erfüllt. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer, der keine Kündigungsschutzklage erhebt, vom Arbeitgeber die Abfindung beanspruchen. Die Höhe dieser Abfindung beträgt ein halbes Monatsverdienst für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Hierbei wird ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufgerundet.

Abfindung nach Auflösungsantrag des Arbeitnehmers

Ein Ausnahmefall ist in § 9 KSchG geregelt. Wenn das Gericht feststellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wird, jedoch dem Arbeitnehmer ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar, kann der Arbeitnehmer einen Auflösungsantrag stellen. Sind die hohen Anforderungen an die Unzumutbarkeit erfüllt, stellt das Arbeitsgericht die Auflösung des Arbeitsverhältnisses fest und der Arbeitgeber wird zu einer angemessenen Abfindung verurteilt.

Abfindung nach Auflösungsantrag des Arbeitgebers

Die gleiche Entscheidung kann das Arbeitsgericht auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers treffen. Dies erfordert, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

Höhe der Abfindung bei Auflösungsanträgen

Die Höhe der Abfindung ist in diesem Fall auf zwölf Monatsverdienste begrenzt. Sofern die zusätzlichen Voraussetzungen nach § 10 Absatz 2 KSchG vorliegen, kann die Abfindung infolge eines Auflösungsantrages bis zu achtzehn Monatsverdienste betragen.

Abfindung und Auflösungsvertrag

In Rahmen von Auflösungsverträgen ist ebenfalls eine Vereinbarung über die Höhe der Abfindung üblich. Insbesondere Arbeitnehmer sollten vor Unterzeichnung eines Auflösungsantrages diesen durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen lassen. Die Agentur für Arbeit prüft bei Aufhebungsverträgen immer, ob eine Sperre infolge des Auflösungsvertrages möglich ist. Daher muss der Auflösungsvertrag auch in dieser Hinsicht sicher gestaltet werden. Eine Sperre beim Arbeitsamt bedeutet, dass der Anspruch auf das Arbeitslosengeld um drei Monate zu Beginn der Arbeitslosigkeit gekürzt wird, d.h. kein Arbeitslosengeld gezahlt wird. Folge einer solchen Sperre ist zudem, dass der Anspruch des Arbeitslosengeldes insgesamt um ein Viertel gekürzt wird, dass am Ende des Arbeitslosengeldbezuges nochmals eine Kürzung des Arbeitslosengeldes von bis zu drei Monaten möglich ist.

Freiwilliges Angebot des Arbeitsgebers auf Abfindung

Vereinzelt wird bei der Kündigung freiwillig vom Arbeitgeber eine Abfindung gezahlt. Dies ist nach unserer Erfahrung jedoch der Ausnahmefall.

Zusätzliche Prüfungen im Kündigungsschutzverfahren

In Kündigungsschutzverfahren beim Arbeitsgericht wird durch den Rechtsanwalt u.a. zugleich geprüft, ob die Kündigung rechtens ist, zusätzlich offene Vergütung geltend zu machen ist, noch Urlaubsansprüche bestehen oder das Zeugnis zu erteilen oder zu berichtigen ist.

Abfindung und Beiträge zur Sozialversicherung

Abfindungen im Rahmen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterliegen grundsätzlich nicht den Beiträgen zur Sozialversicherung. Sie sind somit beitragsfrei. Daher kann es im Einzelfall sinnvoll sein, mit einer „Turbo-Klausel“ in der Abfindungsvereinbarung das Beschäftigungsverhältnis früher beenden zu lassen und die ersparte Arbeitnehmerbruttovergütung als zusätzliche Abfindung zu vereinbaren.

Abfindung und Steuer

Es gibt bei Abfindungen und der Einhaltung bestimmter steuerlicher Vorgaben eine günstigere Besteuerung der Abfindung gegenüber der Besteuerung von Arbeitseinkommen. Diese Fragen sollten individuell mit dem Steuerberater geklärt werden.

Störung Betriebsklima – unwirksame Kündigung, GdB 60

Wenn das Betriebsklima gestört wird, gibt es mildere Mittel gegenüber eine Kündigung, dass auch bei Störung Betriebsklima die Kündigung nur das letzte Mittel sein kann.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber hatte eine Mitarbeiterin mit einem GdB von 60 aufgrund gekündigt, da diese Mitarbeiterin das Betriebsklima gestört haben soll. Der Mitarbeiterin wurde Äußerungen unterstellt wie: „Hast du Alzheimer, oder was? Bist du blöd?“; „Lügnerin“ und „Sie sind keine Polizei, den Werksausweis gebe ich Ihnen nicht. Sie sind ein Rassist.“

Der Arbeitgeber kündigte der Klägerin wegen Störung des Betriebsfriedens. Zuvor hatte der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung des Betriebes angehört, den Betriebsrat angehört und die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt.

Arbeitsgericht

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und mit Urteil festgestellt, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Hier legte die Arbeitgeberin die Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln zum dortigen Aktenzeichen 6 Sa 790/20 ein.

Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 22.04.2021

Das Landesarbeitsgericht bestätigt das Urteil des Arbeitsgerichts und wies im Ergebnis die Berufung zurück. Selbst wenn der Vorwurf Störung Betriebsklima und die unterstellten Äußerungen und Verhaltensweisen zutreffend würden, war die Kündigung nicht gerechtfertigt. Das Landesarbeitsgericht stellte klar, dass eine Kündigung „nur dann verhältnismäßig sein kann, wenn milderte zur Zielerreichung geeignete Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen.“

Mildere Mittel gegenüber einer Kündigung

Wie zuvor das Arbeitsgericht hat das Landesarbeitsgericht ebenfalls als ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung eine weitere Abmahnung gesehen. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht als weitere mildere Mittel gesehen: „moderierte Teamgespräche, Mediation, Coaching, enge Führung usw.“ Nichts davon sei zuvor von der Arbeitgeberin ernsthaft versucht worden.

Inklusionsverfahren

Das Landesarbeitsgericht wies zudem auf das Präventionsverfahren gemäß § 167 SGB IX hin. Zwar hatte die Arbeitgeberin vorgetragen, bereits Präventionsverfahren durchgeführt zu haben mit dem Ziel: „um die Klägerin zu einer Verhaltensänderung für die Zukunft zu bewegen.“ Das Landesarbeitsgericht stellte klar, dass allein diese Äußerung des Arbeitsgebers ersichtlich macht, der Arbeitgeber hat eine vom Gesetz abweichende Vorstellung vom Ziel dieses Präventionsverfahrens.

Das Landesarbeitsgericht stellt klar: „Der Zweck der Regelung ergibt sich ausdrücklich aus dem Wortlaut: Die Vorschrift soll Schwerbehinderte in dem Bestand ihres Arbeitsverhältnisses schützen. Sie soll Kündigungen und auch schon Gefährdungen von Arbeitsverhältnissen verhindern. Hierzu sollen möglichst frühzeitig die Schwierigkeiten erkannt werden, um ihnen dann entgegenzuwirken. Durch die rechtzeitige Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung und ggf. der Rehabilitationsträger bzw. des Integrationsamts bei Eintreten von Schwierigkeiten soll der Bestand des Arbeitsverhältnisses durch möglichst frühzeitige Hilfestellung der genannten Einrichtungen nach Möglichkeit gesichert werden.“

Das Ziel des Arbeitgebers, die Klägerin zu einem geänderten Verhalten zu bewegen, wird dem gesetzlichen Präventionsverfahren nicht gerecht.