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Kündigung Schwerbehinderter ohne Zustimmung Integrationsamts lässt Diskriminierung vermuten

  1. Allgemeines Gleichstellungsgesetz (AGG) – Schwerbehinderung

Ziel des AAG ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rase, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Religion, der Weltanschauung, des Alters und eben auch wegen einer Behinderung zu beseitigen oder zu verhindern. (§ 1 AGG)

Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person aus den zuvor genannten Gründen eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. (§ 3 Absatz 1 AGG)

Beschäftigte dürfen nicht wegen eines der zuvor genannten Gründe benachteiligt werden. (§ 7 Absatz 1 AGG)

Ein Beschäftigter, der einen Schaden erleidet, der nicht Vermögensschaden ist, kann eine Entschädigung in Geld von bis zu drei Monatsgehältern verlangen. (§ 15 Absatz 2 AGG)

Wenn im Streitfall die eine Person Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines der zuvor genannten Gründe vermuten lassen, trägt die andere Person die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutze der Benachteiligung vorgelegen hat. (§ 22 AGG)

  1. Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)

Das SGB IX regelt die Rehabilitation und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Teil 3 des SGB IX enthält Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen. In Kapitel 4 dieses Teil 3 sind die Regelungen für den Kündigungsschutz von schwerbehinderten Menschen enthalten.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. (§ 168 SGB IX)

  1. Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 02.06.2022 zum Aktenzeichen 8 AZR 191/21

Das Bundesarbeitsgericht stellte im genannten Urteil klar:

„Der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, begründet die widerlegbare Vermutung, dass die Benachteiligung, die der schwerbehinderte Mensch erfahren hat, wegen der Schwerbehinderung erfolgte. Zu diesen Vorschriften gehört auch § 168 SGB IX, wonach die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedarf.“

  1. Sachverhalt zum Urteil vom 02.06.2022

In den dem Urteil zugrundeliegenden Fall hatte ein schwerbehinderter Kläger eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG eingeklagt. Der Kläger wurde ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt. Im Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht bezüglich der Kündigung.

Der Kläger klagte darüber hinaus eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG ein, da vor Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Zustimmung des Versorgungsamtes nicht eingeholt wurde. Die Klage vor dem Arbeitsgericht und anschließende Berufung des Klägers vor dem Landesarbeitsgericht wurden abgewiesen. Der Kläger legt Revision ein, dass das Bundesarbeitsgericht sich mit der Rechtslage auseinandersetzen musste und zu dem oben genannten rechtlichen Wertungen kam.

Die Revision hatte jedoch keinen Erfolg, da der Kläger vor der Kündigung dem Arbeitgeber seine Schwerbehinderteneigenschaft nicht angezeigt hatte. Daher konnte der Kläger – auch nicht anderweitig – Indizien nachweisen, dass eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung erfolgt sei.

  1. Zusammenfassung

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits in der Vergangenheit zur Indizwirkung von Verstößen des Arbeitgebers gegen Vorschriften zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Berufsleben entscheiden. Jedoch ergingen die bisherigen Entscheidungen im Wesentlichen um die Benachteiligung von Schwerbehinderten bei Bewerbungen und Neuanstellungen.

Nunmehr hat das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung auf Fälle ausgeweitet in Bezug auf den Schutz von schwerbehinderten Menschen im Zusammenhang mit der Kündigung.

  1. Praxishinweis

Schwerbehinderte Menschen (ab einen Grad der Behinderung von 50) und mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Menschen (ab einen Grad der Behinderung von 30 und zusätzlich Gleichstellung durch Agentur für Arbeit) sollten ihren Arbeitgebern die Schwerbehinderung, bzw. die Gleichstellung nachweislich anzeigen. Dann wirken sowohl der erhöhte Kündigungsschutz, wie auch der Indiz für eine Benachteiligung bei fehlender vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes.

Erwerbsminderungsrente – ein Überblick

Eine Erwerbsminderungsrente wird vor der regulären Altersrente gewährt, wenn aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen keine Erwerbtätigkeit mehr möglich ist. Die fortlaufende Erhöhung des Renteneintrittsalters für die reguläre Altersrente hat dazu geführt, dass mehr Menschen diese Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen müssen. Nachfolgend einige wesentliche Punkte, welche Sie bei dieser Rente wegen Erwerbsminderung beachten müssen.

Erwerbsminderungsrente als Vollrente

Eine volle Rente wegen Erwerbsminderung setzt voraus, dass der in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Erwerbsminderungsrente als Teilrente

Eine teilweise Rente wegen Erwerbsminderung setzt voraus, dass der in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Erwerbsminderungsrente als Zeitrente

Eine Erwerbsminderungsrente wird grundsätzlich als Zeitrente gewährt. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre. Die befristete Rente kann verlängert werden. Die Verlängerung erfolgt ebenfalls für längstens drei Jahre. Dabei beginnt die Verlängerung nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Grundsätzlich wird für die Gesamtdauer der Befristungen von einem Zeitraum von neun Jahren ausgegangen.

Erwerbsminderungsrente als Dauerrente

Ist davon auszugehen, dass die Erwerbsfähigkeit nicht wieder hergestellt werden kann, wird die Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer geleistet. Das Gleiche gilt, wenn die befristet Rente für neun Jahre gewährt wurde. Auf Dauer bedeutet jedoch nicht zeitlich unbeschränkt. Die Rente wird bis zu dem Zeitpunkt gewährt, ab dem eine ungekürzte Altersrente gezahlt werden kann.

Erwerbsminderungsrente wegen Wegeunfähigkeit

Eine Rente wegen Erwerbsminderung kann bei Vorliegen der Wegunfähigkeit gewährt werden. Wegeunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, täglich einen Arbeitsplatz aufzusuchen.

Es muss somit gesundheitlich nicht möglich sein entweder mit dem Pkw oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer Arbeitsstelle zu gelangen. Wer zweimal täglich mit dem Pkw einen üblichen Arbeitsweg zurücklegen kann, ist wegefähig.

Ist die Fahrt gesundheitlich mit dem Pkw nicht mehr möglich wird weiter geprüft. Wer weder gesundheitlich mit dem Pkw noch gesundheitlich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer Arbeitsstelle gelangen kann, ist wegeunfähig.

Kann man zwar nicht mehr mit dem Pkw, jedoch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer Arbeitsstelle gelangen wird weiter geprüft. Man muss von seiner Wohnung die Haltestelle erreichen können und von der Haltestelle einen Arbeitsplatz erreichen können, wie auch den umgekehrten Weg zurück zur Wohnung. Daher hat das Bundessozialgericht als pauschale Festlegung getroffen, dass man viermal täglich gesundheitlich in der Lage sein muss, 500 m zu Fuß innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Dabei kommt es nicht darauf an, wie lang der tatsächliche Fußweg zur Haltestelle ist. Ein entsprechender Umzug soll zumutbar sein.

Versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Eine Rente wegen Erwerbsminderung erhält der Versicherte nur, wenn er hiergegen versichert ist. Um für die Erwerbminderungsrente versichert zu sein, muss der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Zusätzlich muss die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt sein.

Rentenverfahren

Wer eine Rente in Anspruch nehmen möchte, muss diese Rente bei der gesetzlichen Rentenversicherung beantragen.

Über diesen Antrag entscheidet die Rentenversicherung mit einem positiven Rentenbescheid oder einen Ablehnungsbescheid. Grundsätzlich muss die Rentenversicherung innerhalb von sechs Monaten über den Antrag entscheiden. Ansonsten kann der Versicherte beim Sozialgericht eine Klage wegen Untätigkeit einreichen.

Gegen den ablehnenden Bescheid kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden.

Über den Widerspruch muss die Rentenversicherung grundsätzlich innerhalb von drei Monaten entscheiden. Ansonsten kann der Versicherte beim Sozialgericht eine Klage wegen Untätigkeit einreichen.

Auf den Widerspruch erlässt die Rentenversicherung entweder einen Abhilfebescheid mit Rentengewährung oder einen ablehnenden Widerspruchsbescheid.

Gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid kann beim Sozialgericht des Wohnsitzes des Versicherten eine Klage eingereicht werden. Das Gericht entscheidet unabhängig mit Urteil, ob die Voraussetzungen für die Rentengewährung vorliegen.

Gegen das Urteil kann die unterlegene Partei Berufung beim Landessozialgericht innerhalb eines Monats ab Urteilszustellung einlegen. Das Landessozialgericht entscheidet unabhängig mit Berufungsurteil.

In Ausnahmefällen kann gegen das Urteil des Landessozialgerichts Revision beim Bundessozialgericht eingelegt werden.

Rechtlicher Beistand

Aus unserer jahrzehntelangen Erfahrung als Fachanwalt für Sozialrecht ist es ratsam, sich bereits fachanwaltliche Hilfe ab der Einlegung des Widerspruchs, jedoch spätestens ab Einreichung der Klage zu nehmen.