Impfpflicht – arbeitsrechtliche und sozialrechtliche Folgen
Die nachfolgenden Ausführungen beschäftigen sich mit der „Einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ und ihren Folgen für Arbeitgeber, Arbeitnehmer, sowie den möglichen Bezug von Arbeitslosengeld. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Problemlagen ist immer der konkrete Einzelfall zu prüfen.
- Impfpflicht, die keine Impfpflicht ist
Die Befürworter und Gegner des Impfens führen massenweise populistische öffentliche Diskussionen für und gegen die beschlossene „Einrichtungsbezogene Impfpflicht“ ohne die Menschen darauf hinzuweisen, dass an keiner Stelle des Gesetztes eine Impfpflicht im eigentlichen Sinne zu finden ist.
- Ein Blick ins Gesetz schafft mehr Klarheit
Mit der Einfügung des § 20 a in das Infektionsschutzgesetzt wurde keine Impfpflicht eingeführt, sondern wie bereits die Überschrift des § 20 a verrät, Regelungen für einen „Immunitätsnachweis gegen COVID-19“ geschaffen. Wie dann auch das Lesen dieser neuen gesetzlichen Norm ergibt, spricht das Gesetz nicht von der Pflicht zur Impfung. Vielmehr geht es immer um diesen Immunitätsnachweis.
- Betroffene Einrichtungen und Unternehmen
Der Absatz 1 des § 20a Infektionsschutzgesetz benennt die Einrichtungen und Unternehmen, welche von der Erbringung des Immunitätsnachweises betroffen sind. Im Wesentlichen sind dies alle Gesundheitsberufe und Einrichtungen einschließlich im Pflegebereich und anderer genannter Einrichtungen und Dienstleistungen.
- Welche Nachweise sind zu erbringen?
Bis spätestens zum 15. März 2022 (24:00 Uhr) sind folgende Nachweise vorzulegen:
a) einen Impfnachweis im Sinne des § 2 Nummer 3 COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung in der jeweils gültigen Fassung,
oder
b) einen Genesenennachweis im Sinne des § 2 Nummer 5 der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung in der jeweils geltenden Fassung,
oder
c) eine ärztliches Zeugnis darüber, dass sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.
Soweit die oben genannten Nachweise ihre Gültigkeit auf Grund Zeitablaufs verlieren, sind rechtzeitig neue Nachweise vorzulegen.
- Unterscheidung nach Beginn der Beschäftigung
Der neue § 20 a unterscheidet zwischen den Beschäftigten
- welche bis einschließlich 15.03.2022 die Tätigkeit begonnen haben (§ 20 a Absatz 2) und
- welche, die ab dem 16.03.2022 neu tätig werden sollen (§ 20 a Absatz 3).
Diese Unterscheidung ist für die Vorgehensweise der Betroffenen und die Rechtsfolgen von entscheidender Bedeutung, insbesondere bezüglich der Bußgeldvorschriften, wie auch arbeits- und sozialrechtlichen Konsequenzen.
Praxishinweis: Sofern ein Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber erfolgt, bzw. Arbeitgeber in den betroffenen Bereichen neue Mitarbeiter einstellen ohne Vorlage eines der gesetzlich geforderten Nachweise, sollte die Tätigkeit spätestens am 15. März 2022 beginnen. Anschließende Neueinstellung sind nach § 20 a Absatz 3 ohne Vorlage eines der gesetzlich geforderten Nachweise nicht erlaubt und werden nach § 73 Absatz 1a Nr. 7 g mit Bußgeldern von bis zu 2.500,00 € geahndet.
Für diejenigen, welche einen der erforderlichen Nachweise vor Beginn der Tätigkeit vorlegen, kann auch eine Aufnahme der Tätigkeit ab dem 16.03.2022 wie bisher erfolgen. Die Vorlage eines der genannten Nachweise stellt quasi eine Tätigkeitsvoraussetzung bei Aufnahme einer Tätigkeit in diesem Bereich ab dem 16.03.2022 dar. Ähnlich, wenn auch nicht ganz vergleichbar, wie wenn ein Kraftfahrer bei Aufnahme einer Kraftfahrertätigkeit im Besitz eines gültigen Führerschein und einer gültigen Fahrerlaubnis sein muss.
- Bereits am 15.03.2022 Tätige
Um diese Menschen rankt sich die Mehrheit der vielfältigen öffentlichen Diskussionen, welche jedoch zum großen Teil bei Befürwortern und Gegner der „Einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ an der gesetzlichen Regelung vorbeigeht.
- Vorlage eines Nachweises
Einer der genannten drei Nachweise muss bis zum 15.03.2022, 24:00 Uhr vorgelegt werden. Wird kein Nachweis vorgelegt oder der Arbeitgeber hat Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, muss der Arbeitgeber dies dem zuständigen Gesundheitsamt melden unter Angabe der persönlichen Daten des Betroffenen. Dies bedeutet, dass hier weder ein Impflicht, noch ein Beschäftigungsverbot besteht, sondern lediglich eine Meldepflicht des Arbeitgebers.
- Entscheidung des Gesundheitsamtes
aa) Nach § 20a Absatz 5 kann das Gesundheitsamt bei Zweifeln an der Echtzeit oder der inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen den Coronavirus SARS.CoV.2 geimpft werden kann.
bb) Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz Anforderung eines der gesetzlich angeforderten Nachweise diesen nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt und trotz Anordnung der ärztlichen Untersuchung sich dieser nicht unterzieht, untersagen, dass sie die Räume der Einrichtung betritt und untersagen, in einer der genannten Einrichtungen tätig zu werden. Hieraus ergibt sich folgender Ablauf:
- ab dem 16.03.2022 Meldung an das Gesundheitsamt
- Auflage des Gesundheitsamtes zur Vorlage des Nachweises, bzw. Unterziehung einer ärztlichen Untersuchung mit Setzung einer angemessenen Frist
- beim Nichtnachkommen innerhalb der gesetzten Frist die Möglichkeit (nicht die Pflicht) des Gesundheitsamtes, eine Untersagung zum Betreten, bzw. Tätigwerden in den genannten Einrichtungen
Praxishinweis: Wenn der Arbeitgeber Interesse an der Beschäftigung von Mitarbeitern hat, welche spätestens am 15.03.2022 ihre Tätigkeit aufgenommen haben, jedoch keinen der gesetzlich geforderten Nachweise erbracht haben, dann sollte der Arbeitgeber bei seiner Meldung an das Gesundheitsamt nachvollziehbar begründen, warum diese Mitarbeiter trotzdem benötigt werden und beim Gesundheitsamt beantragen, kein Betretungsverbot und kein Beschäftigungsverbot für diesen Mitarbeiter auszusprechen. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn der Betrieb ganz oder teilweise eingestellt werden müsste, Patienten nicht mehr sach- und fachgerecht ohne die Mitarbeiter versorgt werden könnten, der Sicherungsstellungsauftrag nicht mehr erfüllt werden könnte, …
Dann kann das Gesundheitsamt von seinem pflichtgemäßen Ermessen Gebrauch machen und beispielsweise andere Auflagen anordnen, wie Anzahl und Art der Testungen anstelle eines Betretungs- und Beschäftigungsverbotes.
- Kündigung bei Vorlage eine gefälschten oder unrichtigen Nachweises
Legt ein Mitarbeiter einen gefälschten oder unrichtigen Nachweis vor, riskiert er die verhaltensbedingte und zugleich fristlose Kündigung des Arbeitsvertrages. Zwar kann der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen ab Erhalt der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben. Jedoch dürfte in den meisten Fällen das Vertrauensverhältnis so gestört sein, dass die Kündigung vom Arbeitsgericht bestätig wird. In diesem Fall würde die Agentur für Arbeit zunächst kein Arbeitslosengeld zahlen und eine Sperrzeit von 12 Wochen verhängen. Wer eine solche Sperrzeit erhält, dem wird der Anspruch auf Arbeitslosengeld insgesamt um ein Viertel gekürzt.
- Kündigung bei Nichtvorlage von Nachweisen
Wer den gesetzlich geforderten Nachweis nicht bis zum 15.03.2022 vorlegt, erhält zwar kein Bußgeld, jedoch muss mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gerechnet werden. Grundsätzlich dürfte zunächst eine Abmahnung erforderlich sein, wenn eine gesetzliche Nachweispflicht gegenüber dem Arbeitgeber nicht erfüllt wird. Da das Gesetz jedoch keine Impfpflicht im eigentlichen Sinne, sondern nur die Vorlage des Nachweises vorschreibt, muss auch die Mitteilung an den Arbeitgeber bis zum 15.03.2022 genügen, dass ein solcher Nachweis nicht vorliegt, da weder eine Impfung erfolgt ist, noch ein Genesen-Status mangels Erkrankung vorliegt, noch ein Nachweis Kontraindikation erbracht werden kann. Dies löst dann die Pflicht des Arbeitsgebers zur Meldung an das Gesundheitsamt aus. Bei solch einer Mitteilung des Mitarbeiters dürfte keine Abmahnung gerechtfertigt sein und dann auch keine Kündigung.
Etwas anderes könnte jedoch gelten, wenn der Arbeitgeber ohne Anordnung des Gesundheitsamtes für sich entscheidet, den Mitarbeiter ein Betretungsverbot auszusprechen und diesen nicht zu beschäftigen. In einem solchen Fall könnte unter Umständen sogar der Vergütungsanspruch des Mitarbeiters trotz Nichtbeschäftigung vorliegen.
- Kündigung bei Betretungsuntersagung und Beschäftigungsverbot durch das Gesundheitsamt
Hat das Gesundheitsamt ein Betretungsverbot und Beschäftigungsverbot ausgesprochen, darf der Arbeitgeber den Mitarbeiter nicht beschäftigen. Da das Gesetz aktuell bis zum 31.12.2022 befristet ist, ist die Beschäftigungsmöglichkeit nicht dauerhaft entfallen, sondern nur vorübergehend. Daher dürfte für den Arbeitgeber eine Kündigung recht schwierig sein. Erfolgt eine Kündigung, muss innerhalb der Frist von drei Wochen die Kündigungsschutzklage erhoben werden. Allerdings dürfte für den Zeitraum des Beschäftigungsverbotes auch kein Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber bestehen. In diesem Fall sollte der Mitarbeiter sich unverzüglich bei seiner Agentur für Arbeit melden, sich der Vermittlung zur Verfügung stellen und Arbeitslosengeld beantragen. Da der Mitarbeiter keine gesetzliche Pflicht zur Impfung hat, jedoch wegen des vom Gesundheitsamt ausgesprochenen Beschäftigungsverbotes nicht arbeiten kann, trifft ihm kein Verschulden. Würde das Gesetz nicht eine Nachweispflicht, sondern eine tatsächliche Impfpflicht vorschreiben, sähe die Sache anders aus. Im Falle der Verhängung einer Sperrzeit seitens der Agentur für Arbeit, sollte daher gegen diesen Bescheid innerhalb der Monatsfrist Widerspruch eingelegt werden.
- Gesetzgeber hat bewusst die Unterscheidung Beschäftigungsbeginn 16.03.2022 getroffen
Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass nach dem 15.03.2022 in den Einrichtungen der vermeintlichen „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ keine Mitarbeiter tätig sind, welche nicht geimpft sind, dann wäre die Unterscheidung zwischen den bereits spätestens am 15.03.2022 in den Einrichtungen Tätigen und den Neueinstellungen nach dem 15.03.2022 nicht erforderlich gewesen. Mithin besteht nur für die Neueinstellung ab dem 16.03.2022 eine Nachweispflicht als Tätigkeitsvoraussetzung. Für die bereits am 15.03.2022 Tätigen besteht nur eine Meldepflicht an das Gesundheitsamt und die Möglichkeit von Verfügungen des Gesundheitsamtes.
Andernfalls würden im Gesundheit- und Pflegebereich bei zu geringen Impfquoten der bereits am 15.03.20222 Tätigen die erforderlichen Arbeiten nicht mehr sichergestellt werden können. Die Patienten und Pflegebedürften könnten nicht mehr, bzw. nicht mehr im ausreichenden Umfang versorgt werden. Diesen Umstand haben die Gesundheitsämter bei ihren individuellen Entscheidungen zu berücksichtigen.