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Rente wegen Erwerbsminderung bei chronifizierter Panikstörung

Psychische Erkrankung kann zur Rente wegen Erwerbsminderung führen

Eine Rente wegen Erwerbsminderung kann bei einer psychischen Erkrankung auch dann gewährt werden, wenn zumutbare Behandlungen nicht ausgeschöpft sind. Zumutbare Behandlungen können ambulante und stationäre Behandlungen, aber auch eine Rehabilitation sein.

Aufforderung des Rentenantragstellers zur Heilbehandlung und Reha

Die Rentenversicherung kann bei vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten den Rentenantragsteller jedoch auffordern, sich entsprechenden Heilbehandlungen zu unterziehen. Sollte der Rentenantragsteller diese Heilbehandlungen ablehnen, kann die Rente wegen unterbliebener Mitwirkung versagen werden. Dies zumindest solange der Rentenantragsteller dieser schriftlichen Aufforderung nicht folgt. Kommt der Rentenantragsteller der Aufforderung nach, kann bei weiterem Vorliegen der Erkrankung eine Rente auf Zeit in Betracht kommen. So urteilte das Landessozialgericht Baden-Württemberg am 01.07.2020 zum Aktenzeichen L 5 R 1265/18.

Reha-Maßnahme bestätigte verminderte Leistungsfähigkeit

Die Klägerin hatte neben anderen Erkrankungen eine chronifizierte Panikstörung bei ängstlicher Persönlichkeitsakzentuierung. Wegen der Gefährdung der Erwerbsfähigkeit erhielt die Klägerin eine Reha-Maßnahme. Im Ergebnis bestätigte die Reha-Maßnahme einen Erschöpfungszustand sowie eine generalisierte Angststörung. Dennoch wurde eine Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten von sechs Stunden täglich festgestellt. Daher lehnte die Rentenversicherung den Rentenantrag ab.

Befristete Rente als Arbeitsmarktrente

Das im Klageverfahren vom Sozialgericht eingeholte Gutachten führte dazu, dass der Klägerin das Gericht die Rente wegen voller Erwerbsminderung zusprach. Die Beweisaufnahme überzeugte das Gericht davon, dass die Klägerin nur noch in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten in einem Umfang von 3 – 6 Stunden täglich auszuüben. Wegen der noch möglichen adäquaten Pharmakotherapie sei die depressive Episode jedoch medikamentös behandelbar. Daher konnte die Klägerin nur eine befristete Rente beanspruchen. Trotz eines Leistungsvermögens der Klägerin von mehr als drei Stunden täglich war die Rente als Arbeitsmarktrente als volle Erwerbsminderungsrente zu gewähren.

Erfolglose Berufung der Rentenversicherung

Die Rentenversicherung legte gegen das Urteil Berufung ein. Wenn die Klägerin bisher nicht adäquat behandelt werde, sei davon auszugehen, dass nach einer derartigen Therapie ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin bestehen würde. Daher sei der Rentenanspruch nicht gegeben. Das Landessozialgericht folgte der Rentenversicherung nicht und wies die Berufung als unbegründet zurück.

Bei Rente wegen psychischen Erkrankungen keine anderen Beweismaßstäbe

Vom Landessozialgericht wurde auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verwiesen. Hiernach seien bei Erkrankungen mit „neurotischem“ Einschlag wegen der „Simulationsnähe“ strenge Beweisanforderungen zu stellen. Jedoch gelten bei psychischen Erkrankungen keine anderen Beweismaßstäbe als bei „körperlichen“ Erkrankungen.

Vorliegen der Erkrankung ist entscheidend

Selbst wenn die Behandelbarkeit einer psychischen Erkrankung vorliegt, ist entscheidend, ob eine quantitative Leistungsreduzierung tatsächlich vorliegt. Die Behandelbarkeit der Erkrankung ist nur für die Befristung und Dauer einer Rente von Bedeutung. Vorliegend war die Klägerin auch der Aufforderung zur Reha nachgekommen. Daher kommt eine Versagung der Rente wegen fehlender Mitwirkung nicht in Betracht.