Blindengeld für Cereral

Anspruch auf Blindengeld haben nach Urteil des 9. Senats des Bundessozialgerichts vom 11.8.2015 zum Aktenzeichen B 9 BL 1/14 R auch schwerst Hirngeschädigte, die nicht sehen können.

Anders als bisher entschieden, ist hierfür nicht mehr erforderlich, dass ihre Beeinträchtigung des Sehvermögens noch deutlich stärker ausgeprägt ist als die Beeinträchtigung sonstiger Sinneswahrnehmungen wie zum Beispiel Hören oder Tasten (sog. spezifische Störung des Sehvermögens).

Der Entscheidung zum Blindengeld lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der heute 10-jährige Kläger erlitt bei seiner Geburt (2005) wegen einer Minderversorgung mit Sauerstoff schwerste Hirnschäden, die unter anderem zu einer schweren mentalen Retardierung mit Intelligenzminderung geführt haben. Der Entwicklungsstand des Klägers entspricht nur dem eines ein- bis viermonatigen Säuglings. Seine kognitive Wahrnehmungsfähigkeit ist im Bereich aller Sinnesmodalitäten stark eingeschränkt. Unter anderem verfügt der Kläger lediglich über basale visuelle Fähigkeiten, die unterhalb der Blindheitsschwelle liegen. Der Kläger kann ‑ mit anderen Worten ‑ nicht sehen. Die Mutter des Klägers beantragte 2006 für ihren Sohn Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz. Der Freistaat Bayern lehnte den Antrag ab. Zwar liege beim Kläger eine schwerste Hirnschädigung vor, jedoch sei das Sehvermögen nicht wesentlich stärker beeinträchtigt als die übrigen Sinnesmodalitäten. Dies aber sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur sogenannten cerebralen Blindheit Voraussetzung für die Gewährung von Blindengeld. Das Landessozialgericht hat dies bestätigt.

Die Entscheidung des Gerichts:

Der 9. Senat des Bundessozialgerichts, der für den Nachweis einer schweren Störung des Sehvermögens bisher verlangt hatte, dass die visuelle Wahrnehmung deutlich stärker betroffen ist, als die Wahrnehmung in anderen Modalitäten, hat seine Rechtsprechung aufgegeben und dem Kläger Blindengeld zugesprochen. Er sah sich hierzu einerseits aus „prozessualen“ Gründen veranlasst. Wie inzwischen zahlreiche Entscheidungen der Instanzgerichte, darunter diejenigen über den Anspruch des Klägers, zeigen, lässt sich gerade bei mehrfach schwerstbehinderten Kindern eine spezifische Störung des Sehvermögens medizinisch kaum verlässlich feststellen. Diesbezüglich hat sich das Kriterium der spezifischen Sehstörung als nicht praktikabel erwiesen; es führt zu einer Erhöhung des Risikos von Zufallsergebnissen.

Vor allem aber sieht der 9. Senat unter dem Aspekt der Gleichbehandlung behinderter Menschen vor dem Gesetz (Artikel 3 Absatz 1 und Absatz 3 des Grundgesetzes) materiell-rechtlich keine Rechtfertigung mehr für dieses zusätzliche Erfordernis. Der 9. Senat kann keinen hinreichenden sachlichen Grund dafür erkennen, dass zwar derjenige Blindengeld erhalten soll, der „nur“ blind ist, nicht aber derjenige, bei dem zusätzlich zu seiner Blindheit noch ein Verlust oder eine schwere Schädigung des Tastsinns oder sonstiger Sinnesorgane vorliegt, bei dem aber nicht von einer deutlich stärkeren Betroffenheit des Sehvermögens gegenüber der Betroffenheit sonstiger Sinnesorgane gesprochen werden kann.

Das in den Materialien des Bayerischen Landesgesetzgebers zum Ausdruck kommende Anliegen, dass Störungen aus dem seelisch/geistigen Bereich nicht zu einem Blindengeldanspruch führen sollen, kann die Ungleichbehandlung schwer cerebral geschädigter Behinderter nicht begründen. Auch in den Fällen, in denen neben dem fehlenden Sehvermögen weitere oder alle Sinnesorgane schwer geschädigt sind, ändert dies nichts daran, dass der Betroffene sowohl in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht blind ist.

Insbesondere stellt die Erwägung, dass derjenige, der wegen schwerster cerebraler Schäden zu keiner oder so gut wie keinen Sinneswahrnehmungen fähig ist, des Blindengeldes nicht bedürfe, weil behinderungsbedingte Mehraufwendungen ohnehin nicht ausgeglichen werden könnten, keinen solchen sachlichen Grund dar. Denn das Blindengeld wird derzeit ohne Rücksicht auf einen im Einzelfall nachzuweisenden oder nachweisbaren Bedarf pauschal gezahlt. Dabei ist gerade Sinn und Zweck der Pauschale, bei festgestellter Schädigung auf die Ermittlung des konkreten Mehrbedarfs sowie einer konkreten Ausgleichsfähigkeit zu verzichten.

Fundstelle: beck-online, FD-SozVR 2015, 371391

EGMR Urteil zum Bestandsschutz einer Invaliditätsrente auch nach Gesetzesänderung

EGMR hat mit Urteil vom 10. Februar 2015 zum Aktenzeichen 53080/13 durch die Zweite Sektion des EGMR (Europäische Gerichtshof für Menschenrechte) eine Entscheidung zum Bestandsschutz einer Invaliditätsrente getroffen.

In Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte, heißt es:

„Jede natürliche oder juristische Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums…“.

Vorliegend ging es um eine Invaliditätsrente, die aufgrund einer veränderten Methode zur Beurteilung des Leistungsvermögens wegfiel. Der EGMR stellte klar, jedenfalls dann, wenn anschließend trotz Erhöhung des Grades der Berufsunfähigkeit der Anspruch auf die Rente verweigert wird, weil durch eine zwischenzeitliche Gesetzesänderung zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen erforderlich sind, ist dies mit dem genannten Menschenrecht auf Eigentum nicht vereinbar.

 

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Außerordentliche Kündigung wegen Bagatelldelikt

1. Wird ein Arbeitnehmer dabei angetroffen, wie er zum Feierabend hin das Betriebsgelände verlässt und einen Kanister mit Heizöl des Arbeitgebers bei sich führt, ist – wenn keine Entlastungstatsachen vorgetragen sind – von einem versuchten Diebstahl zulasten des Arbeitgebers auszugehen.

Gleichzeitig hat der Arbeitnehmer damit in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 II BGB) verletzt. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 I BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder sie zu einem nur geringfügigen oder gar keinem Schaden geführt hat.

2. Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen.

Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung darzulegen.

Will der Arbeitnehmer einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund für sein Verhalten geltend machen, muss er dazu substantiiert vortragen. Darauf hat der Arbeitgeber substantiiert einzugehen. Gegebenenfalls ist Beweis zu erheben, wobei die objektive Beweislast beim Arbeitgeber verbleibt.

Diese Regeln gelten gleichermaßen für sonstige entlastende Umstände, die der Arbeitnehmer vorträgt, die nicht das Gewicht von Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen erreichen.

(Leitsätze der Redaktion BeckRS)

3. Der Umstand, dass es sich im Streitfall um mit Kondenswasser versetztes Heizöl gehandelt hat, das betrieblich nicht mehr genutzt werden kann und entsorgt werden muss, vermindert den Unrechtsgehalt des Verhaltens des Arbeitnehmers erheblich.

(Leitsatz des Gerichts)

Vorschriften: BGB §§ 241, 626, StGB § 242, KSchG §  11

Urteil Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern vom 27.01.2015 zum Aktenzeichen 2 Sa 170/14

Fundstelle: BeckRS 2015, 68406

Kündigung des Arbeitnehmers online prüfen lassen

Einhaltung der 3-Wochen-Frist bei Kündigung durch Arbeitgeber

Für die Prüfung der Kündigung des Arbeitgebers und die Einreichung einer Klage gegen die Kündigung haben Sie ab Zugang der Kündigung insgesamt nur 3 Wochen Zeit.

Geht die Klage auch nur einen Tag später beim Arbeitsgericht ein, wird das Arbeitsgericht in der Regel die Kündigung auf ihre Rechtmäßigkeit nicht mehr prüfen können.

Daher sollten Sie sich umgehend an einen spezialisierten Rechtsanwalt wenden, dass innerhalb dieser 3 Wochen die Kündigung geprüft werden kann und die Entscheidung fällt, ob eine Klage eingereicht wird. Klageziel kann die Weiterbeschäftigung sein, die Einhaltung der Kündigungsfrist oder auch die Zahlung einer angemessenen Abfindung.

In diesem Zusammenhang prüft Ihr Anwalt, ob die Gefahr einer dreimonatigen Sperrzeit beim Arbeitslosengeld wegen der Kündigung besteht. Im Falle einer Sperrzeit wird das Arbeitslosengeld um insgesamt ein Viertel gekürzt. Im Falle einer Sperrzeit können Sie zugleich Ihren Krankenversicherungsschutz verlieren, dass dann zusätzlich zu der fehlenden Arbeitsvergütung und dem fehlenden Arbeitslosengeld eigene Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden müssen.

Wegen dieser sehr kurzen Frist von drei Wochen haben wir ein online-Formular entwickelt unter

www.kuendigungsschutz-arbeitnehmer.de

Hier können Sie unabhängig von Kanzleiöffnungszeiten die Prüfung Ihrer Kündigung vornehmen lassen und zusammen mit dem Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht entscheiden, ob eine Klage eingereicht werden soll.

Rechtsmissbrachskontrolle bei Kettenbefristungen – hier 15 Jahre Vertretungszeit

Bei einer Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von fast fünfzehn Jahren und der Anzahl von zehn befristeten Verträgen ist die missbräuchliche Ausnutzung einer Sachgrundbefristung indiziert.

Die Annahme des Gestaltungsmissbrauchs kann der Arbeitgeber widerlegen, indem er besondere Umstände darlegt.

Vorliegend war der Kläger seit 1998 auf der Grundlage von zehn aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt. Der letzte befristete Arbeitsvertrag war vom 01.09.2011 bis zum 01.08.2013.

Der Kläger vertrat jeweils unmittelbar die stellvertretende Küchenleiterin des städtischen Alten- und Pflegeheims, die infolge der Geburt von drei Kindern wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung, Mutterschutz, Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit sowie Sonderurlaub über den gesamten Zeitraum ausfiel.

Der Kläger wandte sich gegen die Wirksamkeit der letzten Befristung, jedoch ohne Erfolg.

Die maßgebliche letzte Befristung sei gemäß § 14 I 2 Nr. 3 TzBfG i.V.m. § 21 I BEEG sachlich gerechtfertigt, so das Bundesarbeitsgericht. Die Beklagte habe bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrages damit rechnen dürfen, dass die stellvertretende Küchenleiterin ihre Tätigkeit am 01.09.2013 wieder aufnehmen werde. Anhaltspunkte, die erhebliche Zweifel am Rückkehrwillen der vertretenen Arbeitnehmerin begründen mussten, seien nicht ersichtlich. Bei einer Vertretung wegen Krankheit, Urlaub oder Freistellung könne der Arbeitgeber in der Regel damit rechnen, dass der Vertretene auf seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Weder die Dauer der Abwesenheit noch die wiederholte Freistellung hätten der vom Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Vertrages anzustellenden Rückkehrprognose entgegengestanden.

Urteil Bundesarbeitsgericht vom 29.04.2015 zum Aktenzeichen 7 AZR 310/13

Fundstelle: beck-online, Fachdienst Arbeitsrecht 2015, 371046

mehr Rechtsprechung unter:

Kündigung für Arbeitnehmer prüfen

Familienversicherung

Behinderte in kostenfreier Familienversicherung ohne Altersgrenze

Wenn behinderte Kinder außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, bleiben sie ohne eine Altersbegrenzung in gesetzlichen Krankenversicherung ihrer Eltern kostenlos familienversichert. Das Sozialgericht Dortmund musste mit Urteil vom 27.06.2013 zum Aktenzeichen S 39 KR 490/10 die AOK Nordwest entsprechend verurteilen. Die AOK Nordost hatte es abgelehnt, eine geistig behinderte Frau über das 23. Lebensjahr hinaus über die gesetzliche Krankenversicherung des Vaters als kostenfrei familienversichert zu führen. Nach Ansicht der AOK Nordost könne sich die geistig behinderte Tochter des Versicherten nunmehr selbst unterhalten. Das Sozialgericht Dortmund war anderer Meinung. Nach Ansicht des Gerichts seien die konkreten Beschäftigungsmöglichkeiten des behinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Für das Sozialgericht stand fest, dass die behinderte volljährige Tochter aufgrund der seit Geburt bestehenden geistigen Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. Insbesondere sei der erschwerte Zugang geistig behinderter Menschen zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu berücksichtigen, wie auch die Lohnstrukturen. Selbst wenn eine gering qualifizierte Tätigkeit im Niedriglohnbereich noch möglich sei, würden aufstockende Grundsicherungsleistungen erforderlich werden. Mithin ist damit nicht genüge getan, sich selbst zu unterhalten. Konsequenter Weise verurteilte das Sozialgericht die AOK Nordwest, die behinderte Tochter beim versicherungspflichtigen Vater weiter als kostenfrei familienversichert zu führen.

Arbeitsunfähigkeit

Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom ersten Krankheitstag an

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.11.2012 zum Aktenzeichen 5 AZR 886/11 bestätigt, dass der Arbeitgeber verlangen kann, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom ersten Krankheitstag an vorzulegen ist.

„Eine von  § 5 Absatz 1 EFZG abweichende Regelung der Anzeige- und Nachweispflichten bei Arbeitsunfähigkeit durch Tarifvertrag bedarf einer klaren Regelung.“

Vorliegend ging der Streit über die Berechtigung des Arbeitgebers, von der Arbeitnehmerin die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer schon von dem ersten Tag der Erkrankung an zu verlangen. Der auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommende Manteltarifvertrag bestimmt: „Erkrankt ein Arbeitnehmer, so muss spätestens am vierten Tag ein ärztliches Attest beigebracht werden. Der Arbeitgeber ist berechtigt, ein Attest des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu verlangen; die hierdurch entstehenden Kosten trägt der“ Arbeitgeber.

Der Arbeitgeber forderte die Arbeitnehmerin auf: „bei zukünftigen Krankheitsfällen schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest zu liefern“.

Hiergegen wandte sich die Arbeitnehmerin über das Arbeitsgericht aufgrund der genannten Bestimmung des Manteltarifvertrages.  Das Arbeitsgericht, das Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht sahen für die Klage keinen Erfolg. Hiernach ist der Arbeitgeber berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Die Regelung eröffnet dem Arbeitgeber nicht nur das Recht der zeitlich früheren Anforderung, sondern daneben das Recht, den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung auch für Zeiten zu verlangen, die nicht länger als drei Tage andauern. „Das Verlangen bedarf weder einer Begründung noch eines sachlichen Grundes oder gar besonderer Verdachtsmomente auf Vortäuschung einer Erkrankung in der Vergangenheit.“ Der vorliegende Tarifvertrag schließt dieses Recht des Arbeitgebers nicht aus. Hierzu hätte es einer klaren Regelung des Tarifvertrages bedurft.

zahnärztliche Versorgung

Verbesserung der zahnärztlichen Versorgung von immobilen Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen

Nach Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums vom 26.03.2013 treten zum 01.04.2013 Neuregelungen in Kraft, die eine Verbesserung der zahnärztlichen Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen bewirken sollen. Eine angemessene und extrabudgetäre Honorierung soll Anreize bieten für eine Versorgung bei den Patienten zu Hause.

Mit einem entsprechenden Beschluss des Bewertungsausschusses vom 15.02.2013 setzen die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband die Vorgaben des Gesetzgebers aus dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz um.  Hintergrund ist, dass es pflegebedürftigen und behinderten Menschen gesundheitsbedingt häufig nicht möglich ist, selbst die Praxis des Zahnarztes aufzusuchen. Diese so genannte „aufsuchende Versorgung“ wird deshalb angemessen extrabudgetär honoriert. Ob die Höhe tatsächlich angemessen ist, oder nur als „angemessen“ bezeichnet wird, wird die Praxis zeigen. Jedenfalls soll so eine Versorgungslücke bei immobilen Patientinnen und Patienten geschlossen werden.

Die Vertragszahnärzte erhalten zusätzlich zu den Besuchsgebühren und dem Wegegeld eine Vergütung für die Versorgung in häuslicher Umgebung oder in Einrichtungen. Diese zusätzliche Leistungsposition soll „dem erhöhten personellen, instrumentellen und zeitlichen Aufwand für die aufsuchende Betreuung Rechnung tragen.“

Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz soll der anspruchsberechtigte Personenkreis auf Menschen mit Demenz und psychischen Erkrankungen erweitert werden. Diese Neuregelungen sollen nach den Angaben des Ministeriums mit Mehrkosten für die Gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von jährlich ca. 20 Millionen Euro verbunden sein.

Pflegebett

Anspruch auf elektrisches Pflegebett

Das Landessozialgericht Bayern hat mit Urteil vom 07.11.2012 zum Aktenzeichen L 2 P 66/11 dem Pflegebedürftigen den Rechtsanspruch gegen die Pflegeversicherung auf die Übernahme der Anschaffungskosten für ein elektrisches Pflegebett bestätigt.

Die Pflegeversicherung war der Meinung, dass ein Standard-Pflegebett ausreichend sei und lehnte die Kostenübernahme für ein elektrisches Pflegebett ab, da dieses dem Ausgleich der Behinderung dienen würde und nicht vorwiegend der Pflege. Das Sozialgericht Augsburg und das Landessozialgericht Bayern sahen dies anders und gaben dem Kläger Recht.

Das Landessozialgericht führte insbesondere aus: „Darüber hinaus bietet das Völker-Pflegebett 3082 K dem Kläger gegenüber einem Standard-Pflegebett folgende Vorteile, die kein günstigeres Bett aufweist:

1. Im Gegensatz zum Standard-Pflegebett ist das seitliche Gitter beim Völker-Pflegebett geteilt und kann vom Kläger selbst bedient werden. Beim Standard-Pflegebett besteht dagegen ein ungeteiltes, über die gesamte Bettlänge durchgehendes Bettgitter, das nur unter erheblichem mechanischen Kraftaufwand von der Pflegekraft, nicht aber vom Kläger selbst entfernt werden kann. Ist es entfernt, besteht für den Kläger beim Standard-Bett keine Möglichkeit, sich beim Aufrichten oder Umdrehen festzuhalten. Am Bettgalgen kann er sich nicht festhalten, weil ihm hierfür die notwendige Kraft fehlt. Infolgedessen kann sich der Kläger im Standard-Pflegebett weder selbstständig aufrichten noch in Seitenlage bringen oder umlagern. Dem Kläger gelingt im Völker-Pflegebett sogar der selbstständige Transfer vom Bett zum Rollstuhl und umgekehrt, und er kann so nachts ohne Hilfe der Ehefrau selbstständig die Toilette aufsuchen …

2. Beim Standard-Pflegebett befand sich aufgrund der Körpergröße des Klägers und der Überlänge des Bettes der Knick der Liegefläche nicht wie gewünscht im Kniebereich, sondern in der Mitte des Oberschenkels des Klägers. Beim Völker-Pflegebett kann die Knieknickstellung genau eingestellt werden.

Darüber hinaus bestehen auch weitere allgemeine Vorteile:

3. Während Pflegemaßnahmen im Sitzen vorgenommen werden, kann sich der Kläger am hälftigen Seitenteil im Völker-Pflegebett festhalten. Dies entlastet die Pflegekraft, die sich beim Standard-Pflegebett entweder über das Gitter beugen oder den Kläger gleichzeitig festhalten muss.

4. Die zwei Selbstbedienungselemente des Völker-Pflegebetts erlauben es dem Kläger in jeder Körperlage selbsttätig, die Selbstbedienung zu benutzen und das Bett in geeignete Positionen zu bringen. Dagegen kann der Kläger das Bedienteil des Standard-Pflegebetts nicht in jeder Körperlage bedienen, zudem besteht die Gefahr des Herunterfallens und der Verhedderns mit seinem Beatmungsschlauch.

5. Im Gegensatz zum Völker-Pflegebett erreicht das Standard-Pflegebett seine volle Standfestigkeit nur, wenn alle vier Rollen festgestellt werden. Das ist für die Pflegekräfte sehr mühsam, da das Bett in der Ecke steht. Für pflegerische Maßnahmen, bei denen zwei Personen benötigt werden, sowie für Krankengymnastik muss es aber regelmäßig in die Raummitte geschoben werden. Die absolute Standfestigkeit ist notwendig, damit der Kläger mit minimaler Muskelkraft Bewegungen ausführen kann, ohne dass es zu leichtem Schaukeln des Bettes kommt.

6. Das Völker-Pflegebett verfügt im Gegensatz zum Standard-Pflegebett über keinen herkömmlichen Lattenrost, sondern über ein sog. Mikro-Stimulationssystem zur Unterstützung der Dekubitus-Prophylaxe. Dadurch werden Druckschmerzen am Hüftknochen vermieden.

7. Das Völker-Pflegebett bietet anders als das Standard-Pflegebett stufenlose Möglichkeiten zur Hochlagerung der Beine, was zur Drainage der Unterschenkelödeme des Klägers erforderlich ist.“

Konkurrenztätigkeit

Fristlose Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit

Das Landesarbeitsgericht Hessen hat mit Urteil vom 28.01.2013 zum Aktenzeichen 16 Sa 593/12 entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Wiesbaden bestätigt, dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer fristlos kündigen darf, wenn dieser unerlaubt Konkurrenztätigkeiten ausübt. Vorliegend war ein Arbeitnehmer seit dem Jahr 2000 bei seinem Arbeitgeber als Rohrleitungsmonteur beschäftigt. Der Arbeitgeber war ein Betrieb, welcher Abflussrohrsanierungen durchführte. Das Gericht erhob Beweis über die Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers. Hierbei stellte sich heraus, dass der Arbeitnehmer im August 2007 im Auftrag seines Arbeitgebers bei einer Kundin tätig war, um die Abflussrohre im Bereich Küche und Keller mit einer Spezialkamera zu inspizieren. Nachdem der Arbeitnehmer Kenntnis von den Problemen der Kundin hatte, kam er ein paar Tage später erneut zur Kundin und verlegte bei der Kundin neue Abflussrohre zur Behebung des festgestellten Schadens. Für diese Tätigkeiten lies der Arbeitnehmer sich 900,00 € bar von der Kundin zahlen, ohne eine Quittung auszustellen. Der Arbeitnehmer behielt das Geld für sich. Nachdem der Arbeitgeber hiervon Kenntnis erhielt, kündigte der im Juli 2011 dem Arbeitnehmer fristlos wegen dieses Vorfalls aus dem Jahr 2007. Die Kenntnis erlangte der Arbeitgeber dadurch, weil die Kundin beim Arbeitgeber für die mangelhaften Leistungen aus dem Jahr 2007 Nachbesserungen verlangte.

Das Landesarbeitsgericht kam zu dem Schluss, dass der Arbeitnehmer durch diese Konkurrenztätigkeit seine arbeitsvertraglichen Pflichten massiv verletzt hat. Einem Arbeitnehmer ist es untersagt im Marktbereich seines Arbeitgebers, Dienste und Leistungen anzubieten, wenn er nicht zuvor hierfür das Einverständnis des Arbeitgebers eingeholt hat. Wegen dieser massiven Pflichtverletzung des Arbeitsvertrages hielt das Landesarbeitsgericht die fristlose Kündigung des Arbeitgebers für wirksam.