200.000 Euro Schmerzensgeld für Verlust beider Nieren

Für den Verlust beider Nieren hat das Oberlandesgericht Hamm einer jugendlichen Patientin ein Schmerzensgeld von 200.000,00 Euro zugesprochen. Die Patientin hat aufgrund eines groben Befunderhebungsfehlers ihrer Hausärztin beide Nieren verloren, wurde dialysepflichtig und musste sich 53 Folgeoperationen, darunter zwei erfolglosen Nierentransplantationen, unterziehen.
.

Hausärztin hat bei der Bluthochdruckpatientin keine weitere diagnostische Abklärung vorgenommen

In der Beck-Mitteilung wird hierzu wie folgt ausgeführt:

Die 1986 geborene Klägerin ließ sich über mehrere Jahre bis März 2002 durch die beklagte Hausärztin behandeln. Sie litt unter einer krankhaften Fettsucht und Nikotinmissbrauch. Im September 2001 stellte die Beklagte bei der Klägerin einen deutlich erhöhten Blutdruck fest und wies die Klägerin und ihre Mutter auf eine notwendige Blutdruckkontrolle hin. Nachdem die Beklagte im November 2001 erfahren hatte, dass die Klägerin, bei der wiederum erhöhte Blutdruckwerte vorlagen, aufgrund von Kreislaufproblemen viermal bewusstlos geworden war, stellte sie eine Überweisung zum Internisten und Kardiologen zur weiteren Diagnostik einer sekundären Hypertonie aus. Zudem bot sie erneut regelmäßige Blutdruckkontrollen an, die die Klägerin in den nächsten Wochen nicht wahrnahm.

Klägerin fordert Schadensersatz für Verlust beider Nieren

Die Blut- und Nierenwerte der Klägerin untersuchte die Beklagte während dieser Zeit nicht. Nach der Behandlung durch die Beklagte wurden bei der Klägerin beiderseitige Schrumpfnieren diagnostiziert. In den folgenden Jahren unterzog sich die Klägerin 53 Operationen, unter anderem zwei erfolglosen Nierentransplantationen. Sie wurde dialysepflichtig. Mit der Begründung, sie sei von der Beklagten unzureichend untersucht worden, so dass ihr Nierenleiden zu spät entdeckt worden sei, verlangte die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz, unter anderem ein Schmerzensgeld von 200.000 Euro.

OLG: Hausärztin hätte Ursachen des Bluthochdrucks abklären müssen

Die Schadensersatzklage war erfolgreich. Das OLG hat der Klägerin 200.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Die Beklagte hafte für Befunderhebungsfehler. Sie habe nicht genug unternommen, um die Ursache für den Bluthochdruck der Klägerin abzuklären. Bereits der im September 2001 gemessene Blutdruck sei ein krankhafter Befund gewesen, der durch weitere regelmäßige Blutdruckmessungen habe abgeklärt werden müssen. Soweit es zu keiner Rückmeldung der Patientin gekommen sei, habe der damals 15-jährigen Patientin und ihren Eltern die hohe Dringlichkeit der weiteren Abklärung verdeutlicht werden müssen. Der Beklagten sei zudem vorzuwerfen, dass sie nach der Vorstellung der Klägerin im November 2001 eine weiterführende Diagnostik nicht stärker vorangetrieben oder selbst durchgeführt habe. Mehrfache Bewusstlosigkeiten und wiederholt erhöhte Blutdruckwerte hätten – trotz der weiteren Risikofaktoren der Klägerin – im Hinblick auf eine sekundäre Hypertonie zwingend weiter abgeklärt werden müssen.

Keine Abklärung trotz mehrfacher Bewusstlosigkeiten: Grober Behandlungsfehler

Laut OLG hätte es dazu weiterer Blutdruckwerte bedurft. Bei dieser Situation habe die bloße Überweisung der Klägerin zum Kardiologen ohne zwischenzeitliche eigenständige Diagnostik nicht ausgereicht. Aus fachärztlicher Sicht eines Allgemeinmediziners sei sogar eine stationäre Abklärung erforderlich gewesen. Dieses habe wiederum der Klägerin und ihren Eltern verdeutlicht werden müssen. Dass die Beklagte bei der Situation im November 2001 diese elementar gebotenen diagnostischen Maßnahmen unterlassen habe, sei – abweichend von der Auffassung des Landgerichts – als grober Behandlungsfehler zu bewerten.

Beweislastumkehr zugunsten der Klägerin

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei – aufgrund der mit dem groben Behandlungsfehler verbundenen Beweislastumkehr – zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass ihre späteren Beeinträchtigungen der Nierenfunktion, insbesondere ihre Dialysepflicht, die zwei Nierentransplantationen mit insgesamt 53 Operationen auf die von der Beklagten zu vertretende zeitliche Verzögerung bei der Feststellung und Behandlung der Grunderkrankung zurückzuführen seien, so das OLG weiter. Bei einer früheren Diagnose der Nierenerkrankung der Klägerin habe eine – wenn auch geringe – Chance auf eine vollständige Heilung bestanden. Der komplikationsträchtige, lange Krankheitsverlauf mit der dauerhaften Dialysepflicht für die noch junge Klägerin rechtfertigte die Größenordnung des zugesprochenen Schmerzensgeldes.

Urteil OLG Hamm vom 03.07.2015 zum Aktenzeichen 26 U 104/14
Funbdstelle: BeckRS 2015, 13000

Behandlung und Körperverletzung

Behandlung ist Körperverletzung

Jeder Eingriff in den menschlichen Körper ist eine Körperverletzung. Dies gilt auch für ärztliche Eingriffe und Medikamentengaben. Aber nicht jede Körperverletzung ist eine rechtswidrige Köperverletzung. Daher bestimmt das Patientenrechtgesetz, dass der Behandelnde verpflichtet ist, dem Patienten in verständlicher Weise, zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zur und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen.

Nur ein vollständig und richtig aufgeklärter Patient kann wirksam in die Behandlung einwilligen. Erst diese Einwilligung des Patienten nach erfolgter Aufklärung beseitigt die Rechtswidrigkeit des Eingriffs. Diese vom Gesetzgeber und von den Gerichten als notwendig angesehene Patienteninformation hat verschiedene Gründe. Einerseits hat der Patient das Selbstbestimmungsrecht über seinen Körper und kann selbst darüber entscheiden, ob er eine Behandlung an sich durchführen lässt oder lieber mit den Leiden und Verschlimmerungen lebt oder gar bei Nichtbehandlung dauernde Schäden oder den Tod in Kauf nimmt. Nur ein aufgeklärter Patient kann letztendlich mit eigenen Willen entscheiden, ob und welche Behandlung er an seinem Körper ausführen lässt.

Ein weiterer Grund für das Aufklärungserfordernis ist in der so genannten Sicherheitsaufklärung gelegen. Der Patient muss darüber aufgeklärt werden, wie er sich vor, während und nach der Behandlung verhalten muss. Erst dann kann er sein Verhalten danach einrichten, sich aktiv an der Behandlung zu beteiligen und Gefahren abwehren. Wer Risiken und Gefahren nicht kennt, kann auch nichts unternehmen, um diese zu vermeiden oder möglichst gering zu halten.

Bei Verletzung dieser nunmehr gesetzlichen Aufklärungspflichten kann sich der Behandler zivilrechtlichen Forderungen seines Patienten aussetzen oder gar mit strafrechtlichen Maßnahmen rechnen. Dies ist weder im Interesse des Behandlers, noch im Interesse des Patienten, welche beide zusammenwirken wollen und müssen, um möglichst einen Behandlungserfolg zu erzielen.

Chefarzt Kündigung

Außerordentliche Kündigung von Ärzten und Chefärzten

Die Arbeitsgerichte müssen sich immer wieder mit außerordentlichen Kündigungen von Ärzten und Chefärzten auseinandersetzen. So hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit Urteil vom 17. April 2013 zum Aktenzeichen 2 Sa 179/12 die außerordentliche Kündigung eines Chefarztes wegen unzulässiger Privatliquidation für wirksam erklärt und eine vorherige Abmahnung für entbehrlich gehalten.

Die Arbeitgeberin hat die außerordentliche Kündigung darauf gestützt, dass der Chefarzt ärztliche Leistungen abgerechnet hat, zu deren Abrechnung er nach der § 4 Abs. 2 der GOÄ nicht berechtigt war. Dieser Abrechnungsbetrug ist an sich ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten, insbesondere eine Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht, die dem Schutz und der Förderung des Vertragszweckes dienen, kann an sich ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung sein, so das Landesarbeitsgericht. Das Verhalten des Chefarztes war geeignet, den Ruf des Arbeitgebers im Geschäftsverkehr zu gefährden. Gerade ein Chefarzt in leitender Position ist verpflichtet, zur Förderung des Vertragszweckes sein Verhalten in der Weise einzurichten, dass er das Ansehen des Arbeitgebers nicht beschädigt.

Der Arzt kann gemäß § 4 Abs. 2 GOÄ Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Vorliegend hatte der Chefarzt jedoch weder die ärztlichen Leistungen selbst erbracht, noch unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung durchführen lassen. Nach den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts muss der Chefarzt an der Leistungserbringung im Einzelfall mitwirken und die nach der jeweiligen Art der Leistung gebotene Aufsicht führen. „Der Chefarzt muss der Verantwortlichkeit für die Durchführung der delegierten Leistungen im Einzelfall tatsächlich und fachlich gerecht werden. Eine derartige Aufsicht setzt aber – wenn schon nicht Anwesenheit – dann jedenfalls die Möglichkeit, unverzüglich persönlich einwirken zu können, voraus. Dagegen reicht es nicht aus, dass der Chefarzt die Behandlung nur supervisiert und fachlich begleitet.“

Das Landesarbeitsgericht stellte nochmals klar, dass es zur „Erfüllung der Verpflichtung aus dem Wahlarztvertrag erforderlich ist, dass der Chefarzt durch sein eigenes Tätig werden der wahlärztlichen Behandlung sein persönliches Gepräge gibt, d. h. er muss sich zu Beginn, während und zum Abschluss der Behandlung mit dem Patienten befassen. Kernleistungen hat er stets persönlich zu erbringen. Dabei ist bei jeder einzelnen Behandlungsmaßnahme zu fragen, ob sie dem Wahlarzt nach herkömmlichem Verständnis zur eigenen Verantwortung zuzurechnen ist. Ist dies nicht gewährleistet, so handelt es sich nicht um eine zulässige gebührenrechtliche Delegation. Der Honoraranspruch des Chefarztes besteht nicht, weil es sich nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ nicht um eine eigene Leistung handelt.“

Ist wie vorliegend von einer vorhersehbaren Verhinderung des Klägers in den streitbefangenen Fällen auszugehen, die von einer Wahlarztvereinbarung nicht umfasst wird, darf auch keine entsprechende Liquidation von Wahlarztleistungen erfolgen. Der Chefarzt hatte mit den Patienten auch keine wirksame Stellvertretervereinbarung im Wege der Individualabrede getroffen.

In dem vorliegenden Fall hat somit der Chefarzt gegenüber den Patienten/Krankenkassen über das Vorliegen der Tatsachen getäuscht, die den geltend gemachten Zahlungsanspruch begründet hätten. Diese Pflichtverletzung ist dem handelnden Chefarzt vorzuwerfen. Er hat nicht substantiiert vorgetragen, dass er gehindert war, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Darüber hinaus hat der Chefarzt keine durchgreifenden Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorgetragen.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgericht hat der Chefarzt „durch sein Verhalten seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzt, denn er hat alles zu unterlassen, was das Ansehen und den Ruf des Beklagten schädigen kann.“  Der Chefarzt „war gehalten, das Vertrauen Außenstehender – hier der Patienten – in die korrekte Abrechnung der medizinischen Leistungen nicht zu erschüttern und auf diese Weise den Ruf der Beklagten zu belasten. Unzulässige Abrechnungen fallen negativ auf die Beklagte zurück. Diese setzt sich damit dem Verdacht aus, aus ihrer Sphäre heraus, durch ihre Mitarbeiter, würden Patienten und Krankenkassen betrogen.“

Wegen dieser Schwere der Vertragsverletzungen bedurfte es im vorliegenden Fall nicht einmal einer vorherigen Abmahnung. Angesichts des planvollen und zielgerichteten Handelns des Chefarztes und angesichts der Häufigkeit der falschen Abrechnungen liegt auch kein Flüchtigkeitsfehler oder ein einmaliger Ausrutscher vor.

Arzthonorar

Rückforderung von Arzthonorar

Niedergelassene Ärzte erhalten für ihre ärztlichen Leistungen zugunsten der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung keine monatliche Vergütung, sondern für jedes Quartal des Jahres einen Honorarbescheid. Bis zur Auszahlung aus dem Honorarbescheid gehen die Ärzte in der Regel in Vorleistung für Praxiskosten, wie zum Beispiel die Vergütung für das Personal. Die Abrechnung der Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung ist höchst kompliziert und bürokratisch organisiert, worauf die Ärzte keinen direkten Einfluss haben. Daher kann es auch passieren, dass sich Fehler einschleichen. Zur Vermeidung von Falschabrechnungen erfolgen Plausibilitätsprüfungen. Bei einer Kinderärztin führten diese Prüfungen dazu, dass die Kassenärztliche Vereinigung zu dem Schluss kam, dass in den Quartalen 1/2008 bis 3/2010 jeweils mindestens eine unrichtige Honorarabrechnung vorliegen würde. Auf dieser Grundlage wurden ca. 300.000,00 Euro Honorare zurück gefordert. Die Kinderärztin wehrte sich mit einem Widerspruch, was jedoch nicht ausreicht, da die Rückforderung der sofortigen Vollziehung unterliegt, also sofort auch zwangsweise durchgesetzt werden kann. Daher verlangte die Kindeärztin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs im Umfang von ca. 260.000 Euro und zahlte ca. 40.000 Euro Honorar zurück. Da die Kassenärztliche Vereinigung auch an der sofortigen Durchsetzung des Restbetrages festhalten wollte, war zusätzlich ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren beim Sozialgericht erforderlich zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Dies hatte das Ziel, dass darüber hinausgehende Rückforderungen, sofern diese sich in einem Klageverfahren bestätigen, erst zurück gefordert werden können, wenn diese Rückforderungen und deren Höhe endgültig feststehen, also erst dann, wenn deren Berechtigung tatsächlich gegeben ist.

Die Kinderärztin hatte hiermit Erfolg und das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen gab der Kinderärztin mit Beschluss vom 28. Januar 2013 zum Aktenzeichen L 3 KA 34/12 B ER recht, da das Gericht ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der noch geltend gemachten Honorarrückforderung hatte.

Dass es bei diesen Rahmenbedingungen schwierig ist, Nachfolger für ärztliche Praxen insbesondere im ländlichen Bereich zu finden, ist auch aus diesem Gesichtspunkt nachvollziehbar.

Wirtschaftliche Aufklärung des Patienten

Wirtschaftliche Aufklärung des Patienten

Nach § 630c Absatz 3 BGB muss der Behandelnde (Arzt, Therapeut, Pflegedienstleister, …) gegenüber dem Patienten eine wirtschaftliche Aufklärung vornehmen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Behandelnde weiß, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist. Bei Kassenpatienten betrifft dies alle Leistungen, welche nicht von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden. Bei den Leistungskürzungen des Gesetzgebers (Bundestagsabgeordnete) der letzten Jahre im System der gesetzlichen Krankenversicherung muss sich der Patient im Vorfeld entscheiden können, ob er die früher im System der gesetzlichen Krankenkasse befindlichen Leistungen oder auch darüber hinausgehende Leistungen in Anspruch nehmen will und somit auch selbst bezahlen will und muss.

Diese wirtschaftliche Aufklärung muss gegenüber dem Patienten vor Beginn der Behandlung erfolgen und der Behandelnde muss auch über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Dem behandelnden Arzt, Pflegedienstleister, … ist aufgrund dieser gesetzlichen Verpflichtung zu empfehlen, dass er sich diese schriftliche Aufklärung vom Patienten gegenzeichnen lässt. Andernfalls besteht das Risiko, der Behandelnde selbst für die Behandlungskosten aufkommen muss. Dies kann der Fall sein, wenn der Patient bestreitet, dass er vor der Behandlung über die Behandlungskosten aufgeklärt wurde. Daher ist es nachvollziehbar, dass Patienten zunehmend Unterschriften zu ihrer eigenen Sicherheit und zur Sicherheit der Behandelnden leisten müssen.

Einwilligung des Patienten

Einwilligung des Patienten

Jeder Eingriff in den Körper stellt grundsätzlich eine Körperverletzung dar. Dies betrifft auch ärztliche Eingriffe zu wie zum Beispiel Medikamentengabe und Operationen. Um die Rechtswidrigkeit der Körperverletzung entfallen zu lassen, ist die vorherige Einwilligung des Patienten erforderlich. Daher regelt § 630d Absatz 1, dass der Behandelnde verpflichtet ist vor der Durchführung des Eingriff die Einwilligung des Patienten einzuholen. Hierbei ist die Einholung der Einwilligung immer erforderlich, wenn die Behandlung einen Eingriff in den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder in ein sonstiges Recht des Patienten erfordert.

Wenn der Patient einwilligungsunfähig ist, ist die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, soweit nicht eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a BGB vorliegt, die den geplanten Eingriff gestattet und auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft.

Kann eine Einwilligung für einen unaufschiebbaren Eingriff jedoch nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf er ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn er dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht. Ansonsten darf der Eingriff nicht durchgeführt werden.

Wer selbst über sich und seinen Körper entscheiden will, sollte daher eine Patientenverfügung entsprechend seinen individuellen Wünschen und Vorstellungen fertigen. Ergänzend sollte zudem eine Betreuungsverfügung gefertigt werden, dass man selbst seinen späteren Betreuer auswählt. Der Betreuer hat die Interessen und den Willen des Betreuten auch gegenüber Ärzten durchzusetzen. Dies betrifft nicht nur ältere oder kranke Menschen. Nicht selten kann man beispielsweise wegen einem Schlaganfall, Herzinfarkt oder Autounfall auch als junger Mensch nicht mehr über sich selbst, seine finanziellen und gesundheitlichen Angelegenheiten entscheiden.

Haftung des fehlerhaft handelnden Operateurs

Der Bundesgerichtshof hat sich damit auseinandergesetzt, ob und in welchen Umfang ein fehlerhaft handelnder Operateur auch für die Folgen des Zweiteingriffs durch einen anderen nachbehandelnden Arzt haftet, der eingeschaltet werden muss, weil beim Ersteingriff ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 22.05.2012 zum Aktenzeichen VI ZR 157/11 entschieden, dass bei der Erforderlichkeit einer weiteren Operation wegen eines Fehlers des Erstoperateurs der Arzt der Erstoperation auch haftet für die beim oder durch den Zweiteingriff eintretenden Komplikationen, sofern diese noch unter den Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm fallen.

Die Juristen unterscheiden zwischen der haftungsbegründenden Kausalität und der haftungsausfüllenden Kausalität. Bei der haftungsbegründenden Kausalität geht es um den Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und der Verletzung des Rechtsgutes, wie die konkrete Gesundheitsschädigung, den so genannten Primärschaden des Patienten. Die haftungsausfüllende Kausalität bezieht sich auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Verletzung des Rechtsgutes (Primärschaden) und den weiteren Gesundheitsschäden.

Wenn feststeht, dass der Arzt durch ein fehlerhaftes und rechtswidriges Handeln dem Patienten einen Schaden zugefügt hat, dann muss der Arzt beweisen, dass der gleiche Schaden beim Patienten auch eingetreten wäre, wenn der Arzt fehlerfrei und rechtmäßig gehandelt hätte.

Der Arzt ist verpflichtet, den Patienten entsprechend der Regeln der ärztlichen Kunst zu versorgen. Diese Pflicht dient auch dem Schutz des Patienten vor an sich nicht erforderlichen Zweiteingriffen und den damit zusammenhängenden Folgen. Das Gericht hat klargestellt, dass der Arzt dem Patienten auch für alle entstanden materiellen und immateriellen Schäden haftet, welche durch die zweite Operation eingetreten sind, wenn die erste Operation nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt wäre und damit die zweite Operation nicht erforderlich gewesen wäre.

Etwas anderes gilt, wenn das Schadensrisiko der Erstbehandlung im Zeitpunkt der Weiterbehandlung schon gänzlich abgeklungen war, somit sich der Behandlungsfehler des Erstbehandelnden auf den weiteren Krankheitsverlauf nicht ausgewirkt hat.

Im hier vorliegenden Fall gab der Bundesgerichtshof der Klage statt, auch hinsichtlich der eingetretenen Folgeschäden.

Verdienstausfall bei Arzthaftung

Auf Grund eines geburtshilflichen Behandlungsfehler muss ein Gynäkologe einem 1977 geborenen Kläger auch den Verdienstausfall erstatten. Der Bundesgerichthof hat mit Urteil vom 05.10.2010 zum Aktenzeichen VI ZR 186/08 das Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 12. Juni 2008 bestätigt. In Folge des Behandlungsfehlers litt der Kläger an einem Hörschaden. Schwierig ist in solchen Fällen, wie die Höhe des Verdienstausfalls zu berechnen ist. Hierbei ist eine Prognose zur beruflichen Entwicklung zu stellen, wobei auf die Vor- und Weiterbildung der Eltern, ihre Qualifikation in der Berufstätigkeit, die beruflichen Pläne für das Kind sowie die schulische und berufliche Entwicklung von Geschwistern berücksichtigt werden müssen. Wenn sich auf Grund der tatsächlichen Entwicklung des Kindes zwischen dem Schädigungszeitpunkt und den Zeitpunkt der Schadensermittlung weitere Anhaltspunkte für die Fähigkeiten und Begabungen und die Art der möglichen Erwerbstätigkeit ohne Schadensfall ergeben, ist auch dies bei der Prognose zu berücksichtigen. Vorliegend musste der verklagte Gynäkologe als Schaden 80 % der Differenz des aktuellen Verdienstes des Klägers zu dem Verdienst ersetzen, welchen der Kläger ohne diesen geburtshilflichen Behandlungsfehler im Prognoseberuf erzielt hätte.

Gerade Schäden in der Folge von Fehlern bei der Geburt führen häufig zu lebenslangen gesundheitlichen Einschränkungen. Diese wiederum führen zu lebenslangen und zugleich wiederkehrenden finanziellen Schäden, wie notwendige spezielle Bildungsangebote, der Ausfall des Verdienstes, die notwendige Betreuung und Pflege, die Führung des Haushaltes, bauliche Veränderungen zur Anpassung an die Behinderung, Ausgaben für Arztbesuche, Behandlungen, Fahrtkosten usw. Die Berechnung und der Nachweis der einzelnen Schäden kann schwierig werden, dass es sich empfiehlt, einen auf das Recht der Arzthaftung spezialisierten Rechtsanwalt zu beauftragen. Die ist zum Beispiel ein Fachanwalt für Medizinrecht. Parallel sind Auseinandersetzungen mit den Sozialkassen, wie Krankenversicherung und Pflegeversicherung oder Sozialamt erforderlich, dass der Rechsanwalt sich zugleich auf das Sozialrecht spezialiert haben sollte, wie ein Fachanwalt für Sozialrecht.

Fixierung von Heimbewohnern

Eine Fixierung von Heimbewohnern ist nur in Ausnahmefällen zulässig und Bedarf in der Regel einer gerichtlichen Genehmigung. Mit der Fixierung wird die Bewegungsfreiheit der Betroffenen durch Bettgitter oder Gurte eingeschränkt. Sofern Heimbewohner noch selbst entscheiden können, ist für eine Fixierung deren Zustimmung erforderlich. Können Heimbewohner nicht mehr selbst entscheiden, reicht für eine Fixierung die Zustimmung des Betreuers nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 27.06.2012 zum Aktenzeichen XII ZB 24/12 entschieden, dass die Zustimmung des Betreuers für eine freiheitsentziehende Maßnahme nicht ausreicht.

Obwohl es bei der Betroffenen mehrfach zu Stürzen aus dem Bett gekommen ist, wobei diese einen Kiefernbruch erlitten hatte, durfte trotz der Zustimmung des Betreuers die Fixierung mittels Beckengurt nicht ohne gerichtliche Genehmigung vorgenommen werden. Ansonsten kann eine strafrechtlich relevante Freiheitsberaubung vorliegen.

Das Gericht stellte klar, dass auch eine notarielle Vorsorgevollmacht für die Zustimmung des Betreuers nicht ausreichend ist. Daher ist für Betroffene zu überlegen, ob diese zu einem Zeitpunkt, in welchen sie noch selbst entscheiden können, eine Patientenverfügung erstellen. In dieser können sie auch regeln, ob für eine Fixierung die Zustimmung des Betreuers ausreichend sein soll oder diese immer von einer gerichtlichen Genehmigung abhängig gemacht werden soll. Patientenverfügungen können zum Beispiel mit einem Fachanwalt für Medizinrecht Ihrer Wahl erstellt werden.

Pflicht der Ärzte zur Fortbildung

Ärztinnen und Ärzte sind nach ihrer Berufsordnung verpflichtet, in dem Umfange beruflich an einer Fortbildung teilzunehmen, wie es zur Erhaltung und Entwicklung der zu ihrer Berufsausübung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist. Wegen der Nichteinhaltung dieser Weiterbildungspflicht wurde ein Arzt vom Oberlandesgericht Koblenz mit Urteil vom 20.06.2012 zum Aktenzeichen 5 U 1450/11 zur Zahlung von 1.000,00 Euro Schmerzensgeld an die Patientin verurteilt. Nach Ansicht des Gerichts müssen wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, die in einer führenden Fachzeitschrift des Facharztgebietes des Arztes veröffentlicht werden, zeitnah im Berufsalltag umgesetzt werden. Das Gericht ging somit nicht nur von der Fortbildungspflicht aus, sondern auch von der Verpflichtung der Umsetzung der Erkenntnisse aus der Fortbildung. Das Schmerzensgeld wurde der Patientin zugestanden, weil sie nach der Operation drei Tage an einer vermeidbaren und zugleich heftigen Übelkeit litt.

Wie dieses Beispiel zeigt, unterliegen Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte eine Vielzahl von beruflichen Pflichten zum Schutz der Patienten. Die Pflicht zur Fortbildung ist hierbei nur eine von vielen Verpflichtungen. Darüber hinaus sind die Ärzte u.a. auch verpflichtet, den Patienten vor jeder Behandlung umfangreich aufzuklären, während der Behandlung die Aufklärung gegebenfalls zu erweitern. Eine weitere Pflicht ist die Dokumentationspflicht. Aus den Patientenunterlagen müssen alle wesentlichen Schritte der Behandlung vom Erstgespräch, Erstuntersuchung über die Behandlung bis zum Ende der Behandlung aufgenommen werden, wie auch die Verschreibung von Medikamenten und das Auftreten von Komplikationen.